Die Hexenadvokatin
gedacht kam sie in München an, gerade noch rechtzeitig, ehe das Sendlinger Tor von den Stadtwachen für die Nacht versperrt wurde. Es war ihr ganz recht, dass es bereits finster war. So musste sie nicht mit Bekannten rechnen, die sie auf den Gassen erkennen und Alarm schlagen konnten.
9. Januar 1612, abends, im Palais Mangfall-Pechstein
Der Empfang, den ihr ihre Eltern bereiteten, war alles andere als ein liebenswürdiger. Der Graf und die Gräfin hatten sich der Umstände halber gezwungen gesehen, weiterhin in
der Residenzstadt zu bleiben - mussten sie doch über alle Vorgänge in dem bewussten Kloster unterrichtet sein.
»Bist du denn von allen guten Geistern verlassen?«, dröhnte die zornige Stimme ihres Vaters durch die Hallen. »Madre Santissima! Ich glaube gar, du hast den Verstand verloren, Kind«, lautete der Willkommensgruß ihrer Mutter.
»Vater, Mutter, es freut mich ungemein, Euch beide über meine Heimkehr so überaus glücklich zu sehen«, spottete Alberta, empfand sie die Worte der Eltern doch als glatte Ohrfeige. Zum ersten Mal durchfuhr sie die leise Ahnung, vielleicht unüberlegt und womöglich sogar dumm gehandelt zu haben …
»Nun, wenn du schon einmal da bist!« Gräfin Eleonora seufzte und umarmte ihre Tochter zunächst ein wenig zögerlich. »Sei uns trotzdem willkommen.«
»Natürlich freuen wir uns, dich heil und gesund bei uns zu haben«, rang auch der alte Graf sich schließlich doch noch zu einer Art Begrüßung durch. Aber es war ihm anzumerken, dass er nicht gerade glücklich war. Weshalb um alles in der Welt war seine geliebte Tochter nicht bei der Verwandtschaft im sicheren Italien geblieben?
Da die junge Frau keinen Hunger zu haben behauptete, brauchte man wenigstens keinen der Bediensteten zu rufen. Obwohl es bereits sehr spät war, holte man jedoch den Pater aus seiner Kammer, in die er sich bereits vor Stunden zum Beten und Meditieren zurückgezogen hatte. »Das Beten ist das Einzige, was mir noch geblieben ist«, entschuldigte sich Pater Winfried, nachdem er seinen Schützling mit einer segnenden Geste bedacht hatte. »So wie es aussieht, kann uns bloß der Herrgott noch helfen.«
Nachdem sich die anfängliche Aufregung ein wenig gelegt hatte, wollten die Eltern und der Benediktiner als Erstes wissen, ob Alberta in Rom Albrecht getroffen habe und wie die
Begegnung verlaufen sei. Bei dieser Frage ging förmlich die Sonne im Gesicht der jungen Gräfin auf. Der strahlende Ausdruck ihrer Augen verriet bereits alles.
»Wir haben uns ausgesprochen und wir lieben uns und wollen so bald wie möglich heiraten.« Alberta jauchzte fast. Die Eltern seufzten. Es würde sehr schwer, wenn nicht gar unmöglich sein, dem Paar die Hochzeit zu ermöglichen …
Gräfin Eleonora war es schließlich, die behutsam versuchte, die euphorische Stimmung ihres Kindes zu bremsen, indem sie leise daran erinnerte, dass einer Eheschließung massive Widerstände entgegenstünden und dass …
Doch »der Geheimrat« winkte ab. »Liebe Mutter, Albrecht und ich wissen das.« Alberta senkte unwillkürlich ihre Stimme. »Aber es gibt keine Schwierigkeiten auf der Welt, die man nicht mit ein bisschen Nachdenken - und mit Gottes Hilfe - überwinden könnte.« Sie flüsterte jetzt beinahe. »Mein Liebster hat mir versprochen, sich etwas einfallen zu lassen. Ich vertraue ihm, dass er schon eine Lösung finden wird.«
»Amen. Euer Wort in Gottes Ohr, junger Herr «, sagte Pater Winfried laut, mit Rücksicht auf die eventuell vor der Türe lauschenden Diener, und das Elternpaar nickte zögerlich. Sie hegten durchaus nicht den Optimismus der Jugend, der glaubte, mit allem fertigzuwerden …
Als Nächstes wollte Wolfgang Friedrich wissen, ob Alberta von Bekannten gesehen worden sei.
Sie verneinte dies zwar, aber umgehend machte der Benediktiner auch diesen winzigen Hoffnungsschimmer zunichte: »Das ändert überhaupt nichts, Herr. Die Torwächter wissen Bescheid; und sie melden jeden, der die Stadt betritt, der Obrigkeit.«
»Oh, da habe ich schon vorgesorgt, indem ich falsche Papiere gezeigt habe.« Alberta lächelte verschmitzt. Eleonora
war schockiert, doch die Männer lobten die junge Frau für diese kluge Vorsichtsmaßnahme.
»Wenigstens weiß dann morgen in der Residenz noch niemand, dass Ihr wieder zurück seid«, brummte der Mönch leidlich zufrieden, ehe er sich erkundigte, weshalb Alberta überhaupt nach München zurückgekehrt war, statt im sicheren Italien zu bleiben.
Worauf sie
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