Die Hexenadvokatin
zu verstehen gab, sie habe den deutlichen Eindruck gewonnen, ihren Verwandten sei ihre Anwesenheit nicht länger zuzumuten …
»Die feindliche Front, die Constanze von Heilbrunn-Seligenthal inzwischen gegen Euch aufgebaut hat, wächst jeden Tag. Die junge Dame findet großen Zuspruch, das Volk glaubt ihren abenteuerlichen Behauptungen«, setzte sie der Benediktiner umgehend ins Bild. Doch Alberta, der langsam auch die Strapazen der Reise zusetzten und die sich im Augenblick nichts sehnlicher wünschte, als ihren Kopf endlich wieder auf saubere Kissen zu betten, wischte seine Bedenken vorerst einfach vom Tisch. Es sei schließlich keine Frage, dass sie die entehrenden Anschuldigungen sobald als möglich ad absurdum führen würde, erklärte sie, so würdevoll und entschlossen wie nur möglich.
Wolfgang Friedrich hielt dem entgegen, dieser Schritt bedürfe einer peinlich genauen Überlegung, während Pater Winfried schwieg und sorgenvoll die Stirn runzelte.
10. Januar 1612, in der Zelle der Novizin Constanze
Landauf, landab war Constanze seit geraumer Zeit unter den einfachen Leuten wie beim Adel als »heilige Nonne« bekannt. Eine Tatsache, die zwar den Ruhm des bescheidenen kleinen
Klosters vermehrte, den Kirchenoberen jedoch überhaupt nicht gefiel.
»Noch ist keineswegs gesichert, wer hier der Bösewicht ist: Der Graf oder die junge Frau, die so gerne ›Beata‹ oder gar ›Sancta‹ genannt werden möchte«, hatte am vergangenen Abend Don Federigo de Morales die Oberin in ihre Schranken verwiesen. »Womöglich ist die junge Frau sogar geisteskrank.«
Mater Maria Luisa hatte nämlich tatsächlich geplant, jeden Dienstag und Freitag jeweils in Dreiergruppen Wallfahrer zu der »Heiligen« vorzulassen. Der Inquisitor untersagte ihr das mit aller gebotenen Strenge. »Das kommt überhaupt nicht infrage, Madre.« Mit finsteren Blicken musterte er sie.
Und der andere Jesuit, Don Manuel de Silva-Esteban, kündigte ihr im Falle von Ungehorsam an, das Kloster gänzlich zu schließen und die Schwestern auf andere Konvente in Deutschland, Österreich und Italien verteilen zu lassen.
Erst diese massive Drohung machte die Oberin gefügig. Auch sie musste schmerzlich erfahren, dass sie es mit den Herren Inquisitoren keineswegs so leicht hatte wie mit dem Freisinger Bischof und seinen nachgiebigen Abgesandten …
»Alles wird genauso geschehen, wie Euer Gnaden es wünschen«, stammelte Maria Luisa eingeschüchtert, knickste vor den Jesuiten und entschwebte mit einem gehauchten »Gelobt sei Jesus Christus« in die Kapelle, wo bereits das von Peter Candid gemalte Bild über dem Altar prangte.
Die Patres aber begaben sich zu der angeblich von einem Dämon gequälten Novizin. Den ersten Eindruck von ihr hatten die Spanier bereits am Dreikönigstag gewonnen. Und der war nicht unbedingt zu Constanzes Gunsten ausgefallen …
Kaum betraten jetzt die Ordensleute - ohne anzuklopfen - ihre Zelle, beeilte sich die junge Frau, von ihrem Bett aufzuspringen.
Vor drei Tagen hatte sie deutlich gespürt, dass die Mönche es gar nicht mochten, wenn sie sich tagsüber niederlegte.
»Wenn Ihr nicht schlaft, dann könnt Ihr doch beten oder irgendeiner Handarbeit nachgehen«, hatte Don Manuel de Silva-Esteban, ein etwa vierzigjähriger, hochgewachsener Edelmann aus Kastilien, sie angeschnauzt und dabei auf die Betbank gewiesen, die vor einem an der Wand befestigten Kruzifix stand. »Solltet Ihr außer Eurem Bett nicht noch andere Möbelstücke in Eurer Zelle kennen?«, fragte er süffisant. »Außerdem kann eine fromme Braut Christi auch am Boden knien und beten.«
Constanze wurde rot - nicht aus Scham, sondern vor Wut, dass dieser Mensch es wagte, sie, eine geborene Gräfin von Heilbrunn-Seligenthal, in dieser Weise anzugehen. Ehe ihr jedoch eine unüberlegte Äußerung entfuhr, nickte ihr Don Federigo begütigend zu. Der zweiundvierzigjährige Jesuitenpater, ein Edelmann mit entfernt verwandtschaftlichen Beziehungen zum spanischen Königshaus, wirkte überhaupt ruhiger und besonnener als Don Manuel.
»Die Gräfin ist ja noch gar keine richtige Nonne - sie will erst eine werden und weiß selbst, dass sie noch viel zu lernen hat, nicht wahr, mein Kind?«, sagte er und lächelte begütigend. Und Constanze beging den Irrtum zu glauben, der ältere Inquisitor stünde insgeheim auf ihrer Seite. Im Stillen hoffte sie, die Patres gegeneinander ausspielen zu können - nicht ahnend, dass die beiden seit Jahren als erprobte
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