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Die Hexenadvokatin

Die Hexenadvokatin

Titel: Die Hexenadvokatin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karla Weigand
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natürlich daran gelegen, den Fürsten nicht zu verprellen - stand dieser dem Jesuitenorden doch wie sein Vater Wilhelm außerordentlich wohlwollend gegenüber -, andererseits sahen sie sich in der Pflicht, ohne Ansehen der Person das Hexenwesen auszumerzen.
    Es war bekannt, dass viele Kritiker nur deshalb vehemente Gegner der Hexereiprozesse waren, weil sie erleben mussten, dass in der überwiegenden Anzahl aller Verfahren nur arme und ungebildete Frauenzimmer zur Anklage kamen.
    Mit Constanze stünde jedoch eine reiche und vor allem gebildete Adlige vor ihren Richtern. Weltliche und geistliche Gerichtsbarkeit könnten an ihr absolute Gleichbehandlung vor dem Gesetz augenfällig demonstrieren. Die Inquisitoren zweifelten insgeheim nicht einen Augenblick daran, dass es zu einer Verurteilung der jungen Frau kommen würde.
    »Wir werden die Dame noch einmal genau und gütlich befragen, Durchlaucht. Gebe Gott, dass sie zur Einsicht gelangt und ihren makaberen Vorwurf widerruft. Mit gutem Willen würden wir dann das Ganze als zeitweilige Gemütsstörung der Novizin bezeichnen. Um sie geistig wieder völlig genesen zu lassen, könnte man sie nach abschließender Befragung in die Obhut ihrer Eltern zurückgeben«, schlug Don Manuel de Silva-Esteban vor. Er war - schweren Herzens - geneigt, dem Herzog entgegenzukommen.
    »Das hätte auch den Vorteil, dass im Kloster erneut Ruhe einkehrt. Der Zustrom der Pilger würde von selbst versiegen und keiner könnte mehr von einer neuen Heiligen spintisieren«, bekräftigte Don Federigo de Morales.

    Dieser gütliche Vorschlag fand sofort die Zustimmung des Herzogs. Zum Abschied meinte er: »Es wird der mit allzu viel unguter Fantasie gesegneten Jungfer nicht schaden, wenn man ihr einen ordentlichen Schrecken einjagt.«
     
    Auf dem Nachhauseweg durch das nächtliche München war es - bis auf das stoßweise Jaulen des Föhnwinds - beinahe totenstill. Nur die Glockenschläge der verschiedenen Kirchturmuhren der Stadt, beginnend mit denen der Frauenkirche, hallten durch die Dunkelheit: Ein Uhr war es mittlerweile.
    Kaum war der letzte Schlag verstummt, vernahmen die Patres den typischen Sprechgesang des Nachtwächters: »Hört ihr Leut’, und lasst euch sagen, uns’re Glock’ hat eins geschlagen. Bewahrt das Feuer und das Licht, dass unsrer Stadt kein Schad’ geschieht.«
    »Amen«, sagten beide Jesuiten unisono und bekreuzigten sich im Weitergehen.

KAPITEL 45
    26. Januar 1612, im Palais Mangfall-Pechstein
     
    DIE BEWOHNER DES gräflichen Palais’ hatten in dieser Nacht sehr wenig Schlaf gefunden. Dennoch waren Graf Wolfgang Friedrich, Eleonora, Alberta sowie Pater Winfried, bereits in aller Herrgottsfrühe auf den Beinen. Galt es doch, das Ergebnis des gestrigen Abends zu analysieren.
    »Ich finde, wir können mit dem Erreichten einigermaßen zufrieden sein«, begann die Gräfin die Unterredung, nachdem die Dienstboten das Speisezimmer verlassen hatten, wo die
Familie und der Benediktiner beim üblichen Frühmahl saßen: Mit Honig und Rahm verfeinerter Gerstenbrei.
    »Das denke ich auch, Chérie«, pflichtete ihr Graf Wolfgang Friedrich bei. »Zuerst sah es nicht so gut aus - manche der Herren erwiesen sich als ausnehmend bockbeinig. Aber als Ihr die grandiose Idee hattet, über das feine Fräulein Constanze aus dem Nähkästchen zu plaudern, hat sich das Blatt gewendet.«
    Albertas Mutter lächelte geschmeichelt. »Ich habe auch den Eindruck, Caro, dass die Herren Räte jetzt entweder überhaupt nichts von einem Hexenprozess wissen wollen oder - falls sie erklärte Anhänger von solchen Verfahren sind - dass sie dafür plädieren, Constanze den Prozess zu machen. Sie soll vor Gericht stehen und sich verantworten - und nicht etwa unser Kind.
    Und sie wird es nicht leicht haben, den schlechten Eindruck zu kompensieren, den ihr Techtelmechtel mit dem Reitknecht hinterlässt. Immerhin hat mir meine gute Freundin, die Freifrau von Klagenbach, geschworen, sie selbst habe das angeblich so fromme Kind im väterlichen Pferdestall mit einem potenten Burschen in höchst verfänglicher Situation überrascht.«
    »Wie bitte? Aber Maman! Was sagt Ihr da?«
    Alberta war reichlich durcheinander. Sie konnte gar nicht glauben, was sie da hörte. Dass einfache Mägde sich zu so etwas hergaben, wusste sie ja … Aber eine Jungfer von edler Geburt?
    Die Mutter jedoch nickte nachdrücklich.
    »Sophie von Klagenbach wollte im Stall ihres Nachbarn nach einem kürzlich geborenen Fohlen, das sie zu

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