Die Hexenadvokatin
dem guten Mann und seiner Gemahlin nicht antun, mit einer solchen Meute vor ihrem Haus anzutanzen«, dachte sie. Der Studienfreund könnte es ihr womöglich übelnehmen - und das wollte die Gräfin auf keinen Fall riskieren. In ihrer augenblicklichen Situation brauchte sie jeden Freund und konnte es sich nicht leisten, auch nur einen einzigen davon zu verärgern. So war Alberta missmutig und im Laufschritt nach Hause zurückgekehrt, im Rücken stets die johlende Menge.
Völlig außer Atem stürmte sie förmlich durch den Hintereingang des Palais’ - und stieß fast mit Pater Winfried zusammen, der sich soeben zu seiner morgendlichen Besorgungsrunde aufmachen wollte. So musste Alberta, der die Schamesröte ins Gesicht stieg, ihre misslungene Exkursion auch noch beichten.
»Die Münchner werden sich mit der Zeit schon wieder an Euren Anblick gewöhnen, meine Tochter«, hatte sie der Benediktiner zu trösten versucht. »In der nächsten Woche solltet Ihr den zweiten Versuch wagen, aber keinesfalls früher. Und
wenn ich Euch einen guten Rat geben darf: Euer allererster Weg sollte nicht zu einem Freund, sondern zu unserem Herzog führen. Ihr wisst doch, wie empfindlich Seine Durchlaucht ist.«
Alberta schluckte. Der Pater hatte natürlich Recht.
»Immerhin waren die Bürger so liebenswürdig und haben mir wenigstens keine Steine an den Kopf geworfen.« Alberta flüchtete sich in Sarkasmus, als sie nun den Eltern den Vorfall erzählte. »Das ist alles schon vorgekommen: Mit angeblichen Hexen und Hexenmeistern gehen die einfachen Leute nicht zimperlich um.«
»Der unwissende Plebs hat schlicht und einfach Angst vor dem Teufel. Wer kann es ihm auch verdenken? Das Volk wird doch seit Jahrhunderten von gelehrten Theologen und Juristen mit diesen Schauergeschichten gefüttert.«
Der Mönch klang bei diesen Worten mutlos - ganz gegen seine Gewohnheit. Auch seine Miene zeugte eher von Betroffenheit denn von Zuversicht.
»Was ist los, Pater? Wenn ich mich nicht täusche, wirkt Ihr heute irgendwie niedergeschlagen.« Besorgt musterte Alberta ihren Mentor, der den Kopf gesenkt hielt.
Auch ihre Eltern waren erstaunt. Eigentlich lief es für Alberta doch gar nicht schlecht. Ganz im Gegenteil!
»Die meisten der herzoglichen Räte haben wir auf unsere Seite ziehen können«, rief Wolfgang Friedrich dem Benediktiner ins Gedächtnis. »Die Mehrzahl der Herren hat den Glauben an die Novizin mit ihren angeblichen Heimsuchungen verloren. Und das Wichtigste: Maximilian hat seinem Geheimen Rat durch Euch, Pater, ausrichten lassen, dass er ihn wieder mit offenen Armen aufnimmt.
Er trägt ihm nichts nach, da er die Wahnvorstellungen der
kleinen Intrigantin Constanze nicht ernst nimmt; auch über die verunglückte Rom-Mission verliert der Herzog kein Wort mehr. Er ist froh, seinen klugen Ratsherrn wieder bei sich begrüßen zu dürfen, damit das neue Gesetzeswerk bald in Kraft treten kann.«
»Das ist alles richtig, Graf«, gab Pater Winfried zu. »Der recht langsame Florian Dingler ist ohne Alberta aufgeschmissen; das hat mir Seine Durchlaucht wortwörtlich anvertraut. ›Ihm fehlt der geniale Überblick. Was er in der Zwischenzeit schaffte, war reines Stückwerk‹, hat Seine Durchlaucht bemängelt.
Der Herzog hat auch Genaueres über den ›Banditenüberfall‹ erfahren wollen. Zum Glück haben wir uns vorsorglich eine plausible Geschichte zurechtgelegt.« Und noch einmal rief sich der Pater vor seinen Zuhörern seine kürzlich erfolgte Unterredung mit Maximilian ins Gedächtnis. Er vergaß auch nicht zu erwähnen, dass der Herzog bereits angedeutet hatte, dass es zu einem Prozess kommen werde - aber eher gegen Constanze, wie der Benediktiner aus den Bemerkungen des Landesfürsten zu schließen meinte.
Was ihm Kopfzerbrechen bereitete, sparte der Pater sich bis zum Schluss auf:
»Seine Durchlaucht möchte Euch in sechs Tagen, am 1. Februar, frühmorgens in der Residenz sehen«, verkündete der Mönch der jungen Frau. »Und Maximilians Miene schien mir bei diesen Worten nichts allzu Gutes zu verheißen.«
Von der unangenehmen Überraschung, die Alberta tatsächlich erwartete, ließ der Pater allerdings kein Wort verlauten. Er behauptete, nichts weiter über die »Einladung« des Herzogs zu wissen. In der kommenden Nacht würde er den Herrgott ganz inständig darum bitten, dass er diesen Kelch doch noch an seinem Schützling vorübergehen ließe …
»Ich denke, Ihr seht Gespenster, Pater«, entgegnete Eleonora sorglos.
Weitere Kostenlose Bücher