Die Hexenadvokatin
vor Gericht präsentieren wird«, meinte Alberta vorsichtig.
»Mich wundert, dass ihr Vater alles so ruhig hinnimmt«, bemerkte der Schreiber. »Wenn ich mir vorstelle, mein Kind sollte als Teufelsdienerin vor Gericht stehen - ich glaube, ich würde Himmel und Hölle in Bewegung setzen, um das zu verhindern.«
»Seid versichert, Herr Julius, der Graf von Heilbrunn-Seligenthal wird schon noch alles daransetzen, um den Prozess platzen zu lassen. Es war sehr vorausschauend von Seiner Durchlaucht und von der Stadtverwaltung, dafür zu sorgen, den Falkenturm während der Dauer des Prozesses von zusätzlichen Wachmannschaften beschützen zu lassen.«
Alberta verschwieg bei ihrer Erläuterung wohlweislich den Umstand, dass sie selbst gar nichts dagegen hätte, wenn die Angeschuldigte über Nacht auf Nimmerwiedersehen verschwände. Die Aussicht, über eine junge Frau zu Gericht sitzen zu müssen, die sie seit Kindertagen kannte und für die sie - ihrer plötzlichen Bosheit ungeachtet - beinahe so etwas wie Mitleid empfand, machte sie ganz krank. Außerdem wusste Alberta genau, was die meisten Leute in München und ganz Bayern von ihr erwarteten: Einen ähnlich spektakulären Zauberprozess wie jenen, den Doktor Cosmas Vagh im Jahre 1608 gegen Magdalena Khepser geführt hatte. Die hatte selbstverständlich als Hexe den Weg ins Feuer nehmen müssen …
Vagh war der Jurist, der 1611 ein weiteres Gesetzeswerk verfasst hatte. Es trug den bezeichnenden Titel: Das Landgebot wider Aberglauben, Zauberei, Hexerei und andere sträfliche Teufelskünste. Herzog Maximilian hatte es gebilligt und an
alle Regierungen und Landgerichte in Bayern verschicken lassen.
Das Machwerk sorgte seitdem für große Unruhe. Aber der Fürst hielt es für sehr nützlich und wollte es unter keinen Umständen überarbeiten lassen - obwohl »der Geheime Rat« immer wieder diesbezügliche Vorstöße wagte. Sogar dezidierte Vorschläge legte Alberta vor, um das in ihren Augen sträflichen Unsinn bergende Gesetzbuch zu entschärfen.
»Darum braucht Ihr Euch nicht zu kümmern«, fertigte sie der Herzog jedes Mal kurz ab. Sie wusste, warum Maximilian so starr daran festhielt: Die Jesuiten schürten die Angst vor Hexerei und trugen bei zu der Hysterie, die immer mehr im Land hochkochte - obwohl man doch eigentlich begonnen hatte, ganz zaghaft von »Aufklärung« zu sprechen. Doch nicht zuletzt der Herzog ängstigte sich vor Hexen und ihren angeblichen Zauberkünsten.
Und jetzt erwartete man als Ergebnis ihrer Prozessführung natürlich die Höchststrafe für Constanze - was letztlich das Feuer bedeutete. Aber insgeheim hatte Alberta ein Gelübde abgelegt:
Niemals mehr würde sie - symbolisch gesprochen - die Fackel an den Holzstoß halten, indem sie die Unglücklichen dem Irrsinn preisgab, der seit Jahrhunderten von Theologen und Juristen kultiviert und in den letzten Jahren noch verstärkt worden war.
»Ich werde im Gegenteil alles in meiner Macht Stehende tun, um Constanze vor dem Wahnsinn einer in die Irre geleiteten Justiz zu retten - und sollte es das Letzte sein, was ich auf Erden tue«, schwor sie sich.
Dabei konnte sie den schmerzlichen Gedanken an ihren Liebsten nicht ausblenden. Sie wusste, welchem Risiko sie
sich als »Hexenverteidigerin« aussetzte. Vielleicht würde sie Albrecht nie wieder sehen. Sie lief Gefahr, ihr eigenes Leben aufs Spiel zu setzen.
Diese Überlegung war in der Tat nicht von der Hand zu weisen. Zwar waren in den Hexereiverfahren grundsätzlich Advokaten zugelassen, die versuchen konnten, entlastendes Material zu präsentieren - aber es fanden sich kaum jemals Rechtskundige, die so verrückt waren, sich darauf einzulassen. Wer konnte es sich schon leisten, für ein Geschöpf, das vermeintlich mit dem Teufel unter einer Decke steckte, ein gutes Wort einzulegen?
Das Einzige, was »Hexen« an Verteidigung erwarten konnten, war, dass ihr Anwalt in ihrem Namen das Gericht um »Gnade«, sprich eine »mildere« Art der Hinrichtung, ersuchte. Was in aller Regel bedeutete, der Henker möge sein Opfer vor dem Verbrennen erdrosseln …
KAPITEL 48
9. März 1612, im Falkenturm vor Gericht
ES WAR ÜBLICH, erst das »gütliche« Verhör durchzuführen. Falls dies nicht zum erwünschten Ziel führte, nämlich die Beschuldigte zum Geständnis zu bringen, ging man zu den Martern über, gestaffelt nach Schweregraden.
In der Regel durften die Verdächtigen nur einmal der Folter unterworfen werden. In der Praxis stellten die
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