Die Hexenadvokatin
auch keine Mühe, dies zu kaschieren.
»He, he, Herr Graf! Nicht so voreilig, ja! Was Ihr nicht wisst, ist, dass ich gute Aussichten habe, von Seiner Durchlaucht, Herzog Maximilian, der mich überaus schätzt und meine Arbeit über alle Maßen zu würdigen weiß, bald in den Adelsstand erhoben zu werden. Und zwar in den erblichen! Es kann sich nur noch um Wochen handeln, dann ist es so weit. Dann prangt über meiner Ladentür das neue Familienwappen! Was sagt Ihr jetzt?«
»Gar nichts, mein Lieber. Wenn es je so weit kommen sollte, gratuliere ich Euch. Aber jetzt seid so gut und lasst mich allein. Ich bin müde und will mich zurückziehen, Meister.«
Alberta, die nun wirklich genug von der Posse hatte, machte Anstalten, den Salon zu verlassen, aber so leicht ließ der Mann sich nicht abspeisen. Blitzschnell war er aufgesprungen und tippte »dem Geheimen Rat« dreist auf die Schulter. Entnervt drehte die junge Frau sich um.
»Nichts für ungut, Euer Gnaden«, flötete Georg Dreher und grinste hämisch. »Aber Ihr solltet Euch wirklich Gedanken machen über den Hochzeitstermin. Meine liebe Rosina lässt Euch übrigens ausrichten, dass sie Euer Gnaden narrisch gern hat und sich schon unbändig darauf freut, Eure Gemahlin zu werden. Vom ersten Augenblick an hat sie Euch geliebt … Und die Mitgift, die sie von mir kriegt, werdet Ihr sicher nicht verachten, Herr Graf. Und eins solltet Ihr auch nicht vergessen: Jetzt, wo Euer Ruf so geschädigt ist durch die
heilige Franziskanernonne, werdet Ihr Euch schwertun, eine standesgemäße Braut zu finden, nicht wahr? Aber ich und meine Familie nehmen es mit den bösen Geistern nicht so genau, hähä!«
Alberta schnappte nach Luft.
»Um Gottes willen, Pater, seid so gut und begleitet diesen Mann sofort hinaus - und achtet ja darauf, dass er auch wirklich verschwindet. Das ist ja unerträglich!«
Mit allen Anzeichen des Entsetzens verließ die Gräfin den kleinen Salon. Allerdings konnte sie nicht verhindern, dass ihr das hämische Gekicher des Zuckerbäckers bis in den ersten Stock des Palais’ folgte.
Nach einer Weile hörte sie das schwere Portal zuschlagen. Gott sei Dank! Ein ziemlich hässliches, plumpes, »spätes Mädchen« - sie schätzte sie auf fünfunddreißig - aus dem Bürgerstand, das sie gerade einmal vom Vorübergehen kannte, wenn es Kuchen und andere Süßigkeiten in die Residenz lieferte, und mit dem sie noch nie ein einziges Wort gewechselt hatte, sollte sie angeblich »lieben« und wollte sie gar heiraten!
Der biedere Handwerksmeister musste den Verstand verloren haben. Dann erinnerte sie sich an das merkwürdige Schreiben eines anderen Feinbäckers: Aber hatte der sich nicht Peter Niedermeier genannt? War er etwa identisch mit Georg Dreher oder war in der Zunft der Münchner Zuckerbäcker neuerdings der Wahnsinn ausgebrochen?
Sie würde sich mit Pater Winfried besprechen müssen. Doch nun wollte sie nichts als schlafen, am nächsten Tag erwarteten sie schließlich ernstere Probleme.
KAPITEL 52
29. März 1612, in München vor Gericht
ZWEI TAGE ZUVOR hatte Alberta den Prozess gegen die Novizin wieder aufgenommen. Weiterhin geschah nichts Spektakuläres. »Der Oberste Kommissar« ließ ständig neue Zeugen aufrufen, die der Angeklagten durchaus nicht übelwollten, sondern sie im Gegenteil als gottesfürchtige Jungfrau schilderten.
Allmählich fragten sich alle Anwesenden - mit Ausnahme des Benediktinerpaters Winfried -, was um alles in der Welt »der Richter« mit dieser Strategie bezwecken mochte.
Bei den Befragten handelte es sich um Schwestern aus dem Franziskanerinnenkloster, um Bedienstete der Familie Heilbrunn-Seligenthal sowie um den alten Pfarrherrn ihres Heimatdorfs. »Intelligent, fleißig, fromm und ehrgeizig«, beschrieb der etwas geschwätzige Geistliche der Gemeinde Heilbrunn das Verhalten seiner ehemaligen Schülerin in Religionslehre.
»Welche Art von Prozess führt Ihr hier eigentlich, Graf?«, erkundigte sich in der nächsten Verhandlungspause ein Beisitzer mit kaum verhohlener Entrüstung. »Ich muss schon sagen, so etwas habe ich noch nie erlebt. Das widerspricht allen Gepflogenheiten, die ich bis jetzt kennengelernt habe.«
»Ist das die Möglichkeit, Herr Geheimrat?«, gab sich Alberta scheinheilig. »Nun ja, man lernt im Leben immer noch etwas hinzu. Wovon Ihr hier Zeuge werdet, ist eine neue Version der Gerichtsverhandlung, wie man sie jetzt in Paris und in Norditalien pflegt. Man macht sich erst ein ganz genaues
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