Die Hexenadvokatin
habt.«
»Der Herzog vergisst niemals etwas und vergeben wird mir
Maximilian den Betrug ebenfalls nicht«, widersprach seine Braut. »Er wird im Gegenteil alles daransetzen, dass man uns auch in Italien nicht in Ruhe lässt - aus Rache, dass ich ihn jahrelang belogen habe.«
»Halt, halt! Den Fehler hat schließlich Euer Herr Vater zu verantworten. Ihr, als seine, den Eltern Gehorsam schuldende Tochter, hattet gar keine Möglichkeit, Euch anders zu verhalten, als der Familienrat es über Euren Kopf hinweg beschlossen hat. Du sollst Vater und Mutter ehren, heißt es, und dieses Gebot ist für Unmündige bindend.
Außerdem: Ihr habt ja damals gar nicht begriffen, welch weitreichende Bedeutung es hatte, einfach nach außen hin das Geschlecht zu wechseln. Und dass es eine Sünde ist, habt Ihr damals auch nicht gewusst. Das hätte Euch ein Priester sagen müssen, Carissima.«
»Ach, wie gerne würde ich Euch Glauben schenken, Liebster«, seufzte Alberta und schmiegte sich an die hohe kräftige Gestalt Albrechts. »Wie schön müsste es sein, mit Euch im sonnigen Süden zu leben - weit fort von dem kalten, nassen und unfreundlichen Bayern.« Die junge Frau schloss voll Wehmut kurz die Augen.
»Seit Wochen habe ich die Sonne nicht mehr gesehen; in den lehmigen Gassen Münchens steht das Wasser knöchelhoch und sämtliche Baugruben sind überflutet, so dass mit dem Häuserbauen nichts mehr vorangeht; beinahe jeder hat Schnupfen und niest und hustet. Selbst Seine Durchlaucht ist erkältet. Der Herzog verzichtet seit Tagen auf seinen üblichen Ausritt und bleibt auf Anraten seines Leibarztes lieber in seinem Schlafgemach am geheizten Kamin sitzen, in Schlafrock und Pantoffeln, die Schlafmütze über die Ohren gezogen. Auf seine Laune wirkt sich das auch nicht gerade günstig aus!«
»Weiß Gott, von Frühling zeigt sich in Bayern noch keine
Spur. Ganz anders in Lucca! Dort haben bereits Ende Januar die Mandelbäume geblüht«, schwärmte Albrecht und zog seine Geliebte noch näher an sich. Er versuchte, seiner Braut ihre neue Heimat möglichst schmackhaft zu machen, denn er wollte nicht mehr länger mit der Hochzeit warten.
Unterstützung fand der österreichische Freiherr bei Graf Wolfgang Friedrich und Eleonora. Beiden graute zwar vor der Offenbarung ihres Betrugs, aber einmal musste das Unvermeidliche doch geschehen.
Sogar der Pater dachte inzwischen ähnlich. Wenngleich dieser seinen Schützling - bei dessen Schutz er allerdings ein einziges Mal kräftig versagt hatte - verstehen konnte: Er schätzte Albertas Mut und ihren Willen, zuerst den Prozess zu Ende zu führen. Ohne ihren Vorsitz bei dem Verfahren erginge es der Angeklagten schlecht. Mit einem anderen Obersten Kommissar wäre Constanze vermutlich verloren.
Vier herrliche Tage waren dem verliebten Paar vergönnt. Trotz des Zwangs, sich vor dem Gesinde nichts anmerken zu lassen, gelang es ihnen, viele Stunden ganz für sich allein zu haben. Alberta kostete es jedes Mal größere Überwindung, sich noch »rechtzeitig« - ehe eine schwere Sünde passierte - aus den Armen ihres Liebsten zu flüchten.
Es war einfach zu schön, sich endlich als Frau fühlen zu dürfen - wenngleich sie es nur in der Intimität ihres Gemachs wagte, die männlichen Kleidungstücke abzulegen. Selbst dann versperrte sie erst sorgfältig die Türe, ehe sie sich - ohne das leidige, straff sitzende Brustband, in ein langes, wallendes Seidengewand gehüllt - in die Arme ihres Liebsten fallen ließ.
»Du sollst mich doch in unserer Hochzeitsnacht als unberührte Braut empfangen dürfen«, flüsterte die junge Frau nach vielen zärtlichen Küssen und erregenden Liebkosungen
und löste sich an ihrem letzten gemeinsamen Tag beinahe gewaltsam aus der Umarmung des Freiherrn. Schweren Herzens stimmte dieser zu.
»Aber lasst mich nicht mehr zu lange warten, Cara«, beschwor er seine über alles geliebte »Hexenadvokatin« - so nannte auch er sie jetzt voll Bewunderung -, als sie ihm »Arrivederci« sagte.
Am nächsten Morgen, beim ersten Hahnenschrei, brach Gräfin Alberta, wie immer korrekt in schwarze Kniehosen, ein schwarzes Wams und einen schwarzen Überrock gekleidet, in die Hauptstadt auf, zusammen mit dem alten Benediktiner, der ihr folgte wie ihr Schatten. Unterwegs würde sie sich als Erstes von den Baufortschritten der Münchner Stadtbefestigung überzeugen. Anschließend wollte sie die Runde bei einigen guten Bekannten machen. Mit allen Mitteln musste sie sich jetzt ablenken,
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