Die Hexenadvokatin
um ihre Furcht zu vergessen - und ihre Sehnsucht nach Albrecht, von dem sie nun schon wieder auf unabsehbare Zeit getrennt war.
KAPITEL 51
26. März 1612, zurück in München
KAUM IM MÜNCHNER Palais angekommen, wartete auf Alberta eine äußerst merkwürdige Überraschung. Es war bereits spät in der Nacht und im kleinen Salon saß seit einer Stunde ein Mann, der »den Herrn Grafen in einer wichtigen Angelegenheit« zu sprechen wünschte.
So richtete es zumindest der Diener aus, den Wolfgang Friedrich an Stelle des so unrühmlich entlassenen Peter Frick
eingestellt hatte. Erst vor kurzem von Mühldorf nach München zugezogen, kannte er den Besucher nicht. »Seinen Namen hat er nicht sagen wollen«, gab der Hausangestellte Karl Weber, ein flinker und anstelliger Bursche, an.
»Wer kommt denn um diese ungewöhnliche Zeit noch zu mir? Jedermann weiß doch, dass ich für gewöhnlich zu dieser Stunde entweder noch beim Herzog in der Residenz anzutreffen bin - oder bereits im Bett liege.« Alberta, noch erschöpft von der Reise, war alles andere als erfreut über die Vorstellung, nun noch einen Besucher mit einem zweifelhaften und womöglich dringenden Anliegen anhören zu müssen.
Pater Winfried zuckte die Schultern. »Ihr werdet es gleich wissen, meine Liebe«, meinte er gleichmütig. Mit dem Benediktiner im Schlepptau betrat die Gräfin das Besucherzimmer.
»Meister Dreher! Ihr wollt mich dringend sprechen?« Erstaunen klang in ihrer Stimme mit. Natürlich kannte sie den Mann. Nahezu jedermann in München wusste, wer Georg Dreher war.
Hatte es der gewiefte Feinbäckermeister doch geschafft, die gesamte Münchner Konkurrenz auszuschalten und alleiniger herzoglicher Hoflieferant für Süß- und Backwaren zu werden. Maximilian und seine Gemahlin schätzten das honigsüße Gebäck, die Kuchen, Pralinés und Törtchen des Meisters mehr als alle anderen Produkte der städtischen Zuckerbäcker.
Der etwa Fünfzigjährige hatte sich trotz seiner Leibesfülle beim Eintritt Albertas ziemlich schnell erhoben. Sein Bückling dagegen reichte gerade noch aus, dass man ihn mit gutem Willen als höflich bezeichnen konnte. Das Lächeln, das dabei in seinem feisten Gesicht stand, gefiel der Gräfin gar nicht. Was wollte der Kerl nur von ihr? Instinktiv wandte Alberta sich an ihren ehemaligen Mentor. Der zuckte erneut die Schultern.
»Guten Abend! Wie Euch gewiss bekannt sein dürfte, bin
ich der Vater einer braven und nicht unansehnlichen Tochter. Sie heißt Rosina und ist noch jung genug, um einen Stall voll Kinder in die Welt zu setzen, hähä!«, begann Georg Dreher die Unterredung.
»Wie schön für Euch, Meister. Hoffentlich werdet Ihr bald Großvater. Aber was hat das mit mir zu tun? Fasst Euch bitte kurz. Ich bin soeben von einer Reise zurückgekehrt und todmüde«, versuchte die Gräfin das ihr lächerlich erscheinende Gespräch abzukürzen.
Ohne dazu aufgefordert zu werden, setzte sich der Zuckerbäcker wieder hin und schlug die kurzen, dicken Beine übereinander. »Ihr gestattet, Graf? In meinem Alter steht es sich nicht mehr so gut. Meine Füße sind strapaziert von der jahrelangen Arbeit in der Backstube und …«
»Kommt zur Sache, Meister Dreher.«
»Ja, Ihr wollt zu Bett, edler Herr. Das sagtet Ihr bereits. Also: Ich biete Euch sozusagen meine Tochter Rosl als Gemahlin an, versteht Ihr? Ihr werdet es nicht bereuen, dafür garantiere ich. Das Mädel ist nicht dumm, von seiner Mutter gut erzogen, dazu anständig und fleißig und gibt keinerlei Widerworte.«
»Wie bitte? Ich habe mich wohl verhört! Ihr wollt mir Eure - wie heißt sie noch? - als Ehefrau andienen?« Die Gräfin schien fassungslos. Einen Augenblick lang rang sie um Atem - und um Worte. Ein rascher Seitenblick auf den Pater zeigte ihr, dass der Benediktiner übers ganze Gesicht grinste. Der hatte leicht lachen …
»So ist es, Euer Gnaden, so ist es. Glaubt mir, ein hervorragendes Geschäft, das Ganze. Meine Rosina gehört vielleicht nicht zu den Allerschönsten und Elegantesten, verglichen mit den hochwohlgeborenen Fräulein; und mit knapp über dreißig ist sie auch nicht mehr die Allerjüngste. Aber dafür ist ihr Charakter
gefestigt und das Wichtigste: Sie ist kerngesund. Also, alles in allem die ideale Gattin.«
»Seid Ihr übergeschnappt, Meister Dreher? Ich, der Abkömmling eines der ältesten und edelsten Adelsgeschlechter Bayerns, soll die Tochter eines Feinbäckers heiraten?« Alberta war über die Maßen verärgert und gab sich
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