Die Hexenadvokatin
zu geben, die Novizin wieder so weit auf die Beine zu bringen, dass sie erneut an dem Prozess teilnehmen konnte.
KAPITEL 53
29. März 1612, vor Gericht
DIE VERHANDLUNG GING weiter. Auf die Frage, ob sie sich jetzt besser fühle, nickte die totenbleiche Constanze nur.
»Nun denn«, hob von Ellwanger an, an seine vorherigen Ausführungen wieder anzuknüpfen. »Nach Weyers und meiner Meinung sind Hexen schwache Weibsleute, meist höheren Alters und häufig ihrer Sinne und ihres Verstandes nicht mehr ganz mächtig. In die Fantasie dieser Frauenzimmer schleicht sich der Teufel als subtiler Geist ein. Sie bilden sich ein, dass sie böse Dinge getan hätten, obwohl sie gänzlich unschuldig sind.
Wir sehen daraus, dass Folter und Bestrafung dieser Personen ein Unrecht ist, wenngleich sie sich selbst dieser Verbrechen bezichtigt haben. Der Teufel hat sie getäuscht und eigentlich müsste er vor Gericht stehen - was aus naheliegenden Gründen leider unmöglich ist.
Bereits besagter Medicus Weyer erkannte, dass durch die grausame Folter oft falsche Geständnisse erpresst werden. Und auch ich sage, diese unseligen Hexenprozesse tragen die Schuld daran, dass diese armen, geplagten Menschenkinder viel lieber einmal im Feuer sterben wollen, als mehrere Male auf so unmenschliche Weise gemartert zu werden.«
»Harte Worte, Professor, die Ihr da so gelassen aussprecht«,
erlaubte sich »der Oberste Richter« zu äußern, aber insgeheim frohlockte Alberta.
»So ist es«, bekräftigte der Arzt. »Mein Verständnis von christlicher Barmherzigkeit verbietet die Anwendung der Folter grundsätzlich. Darüber mag, wer will, anderer Meinung sein. Aber eines will ich doch deutlich festhalten: Als Mittel zur Wahrheitsfindung ist sie keinesfalls tauglich!
Ich will auch nicht verhehlen, dass es gerade manche Mitglieder meines eigenen Berufsstandes sind - unfähige Ärzte nämlich -, die hinter jeder Krankheit, die sie nicht behandeln können, Zauberei und Hexenwerk wittern.«
Im Geiste rieb sich die Gräfin zu Mangfall-Pechstein die Hände. Das lief ja sogar besser als erhofft. Sie wartete, bis sich das erregte Murmeln im Saal gelegt hatte.
»Und was meint Ihr nun zum Objekt Eurer fachkundigen Beobachtung, zum Seelen- und Gemütszustand der hier anwesenden Constanze von Heilbrunn-Seligenthal? Traut Ihr der Novizin zu, sich durch Hexenkünste einen Popanz geschaffen zu haben, der sie wirklich auf grausame Weise im Kloster verfolgt und verletzt hat?«
»Auf gar keinen Fall! So etwas ist schlicht unmöglich. Die Gräfin befindet sich meiner Meinung nach in einem derart zerrütteten geistigen und seelischen Zustand, dass man sie nur als schwer krank bezeichnen kann. Constanze von Heilbrunn-Seligenthal ist nicht für ihre Reden und Taten verantwortlich. Alles, was sie im Kloster äußerte, entspringt ihrer krankhaften Einbildung. Ich appelliere daher an das hohe Gericht, die Angeschuldigte umgehend als erwiesenermaßen Unschuldige freizulassen.«
Am liebsten hätte Alberta laut aufgejubelt. »Ich danke Euch, auch im Namen meiner Kommissare, und entlasse Euch nun, Herr von Ellwanger«, verabschiedete sie den
streitbaren Medicus des Herzogs stattdessen mit gemessenen Worten.
In der anschließenden Mittagspause entluden sich lautstark die teils heftig divergierenden Ansichten der Richter.
»Das würde ja bedeuten, dass wir jahrzehntelang Unschuldige auf die Scheiterhaufen geschickt haben«, rief einer der Kommissare aufgebracht.
»Wenn wir das Weibsbild als Kranke jetzt einfach nach Hause schicken, wird man uns erneut den Vorwurf machen, dass wir die Kleinen hängen, die Großen aber laufen lassen«, gab ein anderer zu bedenken.
»Immerhin hat sie sich als Heilige verehren lassen! Sollen wir ihr diese Anmaßung ungestraft durchgehen lassen?«, wollte ein Dritter wissen.
»Das ist nicht Sache eines weltlichen Gerichts, dafür sind ihr Beichtvater oder die Kirche zuständig«, wehrte wiederum ein anderer Kommissar ab.
»Ich möchte nicht derjenige sein, der jetzt den gläubigen Pilgerscharen beibringen muss, dass sie von einem hysterischen, halbverrückten Frauenzimmer zum Besten gehalten worden sind«, kicherte derjenige, der als Zweiter gesprochen hatte.
»Wie es ausschaut, kriegt dieses Mal unser Eisenhans überhaupt nichts zu tun. Er und seine Helfer stehen bloß herum und warten darauf, dass man sie endlich ihre Arbeit tun lässt«, beschwerte sich wiederum ein anderer.
»Stellt Euch vor, die angehende Klosterfrau ist
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