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Die Hexenadvokatin

Die Hexenadvokatin

Titel: Die Hexenadvokatin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karla Weigand
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tatsächlich unschuldig - bloß ein bisschen durchgedreht - und wir würden sie der Tortur unterziehen lassen! Das wäre doch unverantwortlich«, gab einer der besonnenen Herren zu bedenken.

    »Aber wieso denn?«, fragte einer, der zu den ewig Gestrigen gehörte. »Wenn sie wirklich nichts mit dem Teufel zu schaffen hat, dann wird ihr der Herrgott schon helfen und sie wird auch nicht gestehen, eine Satansbraut zu sein!«
    »Und überhaupt«, meldete sich einer der hartnäckigen Befürworter von Hexenprozessen zu Wort. »Was heißt das schon: unschuldig? Auf jeden Fall würden wir ein Geständnis kriegen, dass sie eine Teufelsdienerin ist, sage ich!«
    »Genau das hat der letzte Zeuge doch gemeint! Dass die Leute unter der Folter alles gestehen, was das Gericht hören will. Mit der Wahrheit haben solche Geständnisse überhaupt nichts zu tun.«
    »Wahrheit, Wahrheit!«, äffte ein anderer Anhänger der »harten Tour« seinen Vorredner nach. » Gestehen sollen die Hexenluder, die mistigen, und sonst gar nix!«
    »Mir scheint, Ihr habt überhaupt nichts begriffen, Herr Collega!«, fuhr ihn daraufhin ein anderer Richter an.
    Es ging heiß her während der Verhandlungspause. Die Angeklagte, die Auslöserin dieser kontroversen Debatte, saß währenddessen auf ihrem schmalen Bänkchen und starrte Löcher in die Luft. Nach wie vor blieb unklar, inwieweit sie das Geschehen um sich herum überhaupt wahrnahm. Ihre Augen hatten zunehmend einen glasigen und stumpfen Ausdruck angenommen, wie Alberta besorgt bemerkte. Für den Ausgang des Prozesses war es freilich gar nicht schlecht, wenn Constanze zunehmend unzurechnungsfähig wirkte.
     
    Gegen zwölf Uhr begaben sich die Herren vom Gericht in die herzogliche Hofküche, wo ein leckeres Mittagsmahl auf sie wartete: knusprig braun gebratene Schweinehaxen mit eingesäuertem Weißkraut und Knödeln aus kleingeschnittenen Weizenwecken, Milch, Salz, Eiern, fein gehackten Zwiebeln und
Petersilie. Dazu gab es reichlich Bier aus dem Herzoglichen Hofbräuhaus.
    »Hoffentlich bewirkt der darin enthaltene Hopfen eine Beruhigung der Gemüter«, ging es Alberta durch den Kopf; sie musste ein Grinsen unterdrücken. Alles in allem war sie sehr zufrieden mit dem bisherigen Verlauf des Prozesses.
    Die Angeklagte aber führten Hans Bürgler und seine Gesellen ein Stockwerk höher in die kleine Wohnung, wo die Frau des »Eisenhans« wie jeden Tag für die Familie und die Knechte gekocht hatte. Alle setzten sich um den Tisch und griffen nach den Schüsseln, nur Constanze verzichtete und zog sich stattdessen zum Beten in ihr Kämmerchen zurück.
    »Aber mein liebes Kind, Ihr solltet doch …«, rief die Bürglerin ihr nach, aber das Fräulein hatte die Tür schon hinter sich geschlossen.
     
    Auch der Nachmittag versprach, recht turbulent zu werden. Die Gräfin hatte einen Geistlichen als Zeugen gewonnen, der kein Freund von Prozessen gegen Zauberer und Hexen war. Ehe er Domherr in Köln wurde, hatte er lange Jahre in Rom verbracht.
    Doktor Januarius Feldkirch war sein Name und bekannt war der etwa fünfzigjährige Theologe durch seine fundierten Arbeiten über Heiligenviten. Es gab keinen, der besser Bescheid wusste über das Leben der Heiligen und Seligen - und über die oftmals ebenso bizarren Biografien von »Hexen«.
    Einigen Kommissaren gefiel es logischerweise gar nicht, dass ausgerechnet dieser Mann um seine Meinung gebeten wurde. Aber keiner wagte, gegen seine Befragung laut Protest zu erheben, war er doch ein guter Freund des Kölner Erzbischofs (trotz gegensätzlicher Beurteilung des Hexenwesens) -
und dieser wiederum war bekanntlich ein sehr naher Verwandter Herzog Maximilians …
    »Ich bin in der Lage, dem hohen Gericht aufzuzeigen, wie schwierig - ja beinahe unmöglich - es in der Praxis ist, die Grenze zwischen Heiligen, Hexen und Verrückten zu ziehen«, begann der Gelehrte mit bedeutungsschwerer Stimme seine Ausführungen.
    Schon diese Ankündigung ließ manchen Richter unruhig auf seinem Sitzplatz herumrutschen. In diesem Prozess schien es mittlerweile um mehr zu gehen als um das Leben der Angeklagten: Die Prämissen der Rechtssprechung standen vielmehr zur Diskussion. Wer konnte einem Gericht letztlich auch garantieren, dass es wirklich Recht sprach - und nicht stattdessen in einzelnen Fällen ein ungeheuerliches, nicht wiedergutzumachendens Unrecht auf sich lud?
    »So Ihr erlaubt, Herr Oberster Kommissar, werde ich den ehrenwerten Richtern von der bekannten Birgitta von Schweden

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