Die Hexenadvokatin
Innungsmeister der Feinbäcker zu werden - und adlig dazu -, verstand sehr wohl die Drohung, die im letzten Satz steckte, und wäre am liebsten im Erdboden versunken.
»Durchlaucht! Um Himmels willen!«, greinte er. Aber als er Anstalten machte, vor dem Fürsten auf die Knie zu fallen, drehte Maximilian sich abrupt um und verließ den Audienzsaal. Worauf sich zwei Domestiken beeilten, Vater und Tochter durch einen schmalen Einlass am hinteren Ende der Empfangshalle hinauszuscheuchen …
Ehe der Feinbäcker endgültig aus der Halle verschwand, rief ihm Alberta noch nach: »Auch wir beide werden uns noch unterhalten, Peter Niedermeier! «
Sie wollte zu gerne wissen, ob der Kerl seinerzeit mit dem falschen Namen nur einen Versuch machen wollte - oder ob womöglich ein ganz anderer damit zu tun hatte. Das Letzte, was sie von Georg Dreher vernahm, ehe sich die Tore hinter ihm schlossen, war ein jämmerliches »Oh Gott, oh Gott!«.
Pater Winfried und Alberta blickten sich stumm in die Augen, schüttelten den Kopf über so viel geballte Dummdreistigkeit, umarmten einander dann spontan und atmeten befreit auf, bevor sie sich auf den Weg ins Gericht machten.
KAPITEL 57
1. April 1612, ein weiterer Prozesstag
»ICH HABE BESCHLOSSEN, das Verfahren heute zu Ende zu bringen«, begann Alberta, als sie und Pater Winfried die schmalen Gassen der Innenstadt durchschritten. Keiner von beiden hatte Lust, über das eben Vorgefallene zu diskutieren. Längst hatten sie es innerlich abgehakt und konnten sich wieder auf Wichtigeres konzentrieren.
»Das ist gut, meine Liebe«, befand der Benediktiner. »Je mehr sich das Ganze in die Länge zieht, desto schwieriger wird es für Euch, die Novizin vor der Folter zu bewahren. Es ist ja schon ein wahres Kunststück, dass es Euch gelungen ist, Fräulein Constanze die Suche nach Hexenmalen zu ersparen. Nicht wenige der Kommissare waren schon ganz wild darauf, die hübsche junge Delinquentin nackt zu sehen, um eventuelle Muttermale an ihrem Körper als Male des Teufels zu identifizieren.«
»Ein Verfahren, dass nach meiner Auffassung ganz eindeutig die Würde der Frauen verletzt. Wo bleibt da das Schamgefühl?«, ereiferte sich Alberta, die diese Praxis immer schon angewidert hatte. Gleichzeitig wurde sie an die empörten Äußerungen Albrechts erinnert. Richtiggehend wütend war ihr Bräutigam damals in Venedig geworden, als sie auf diese unappetitliche Verfahrensmethode zu sprechen gekommen waren.
»Oh Albrecht, mein Liebster«, dachte sie wehmütig. »Ob wir jemals zusammenkommen?« Dann verbot sie sich selbst jede weitere Sentimentalität und hörte wieder dem Pater zu.
»Soviel ich weiß, hat man der Novizin bisher nur die Folterwerkzeuge gezeigt, oder?«, erkundigte sich der Mönch, der Mühe hatte, mit der flinken Gangart Albertas Schritt zu halten.
Dann schweiften auch seine Gedanken ab, allerdings in die Zukunft: Als Dame würde Alberta es zunächst schwer haben, sich wieder der zierlichen Trippelschritte zu befleißigen, mit denen anständige Frauen sich vorwärtsbewegten. Überhaupt würde sie ihr mühsam eingeübtes, oftmals burschikoses Verhalten ablegen müssen, um nicht als schlecht erzogen zu gelten. Doch der Pater bezweifelte nicht, dass seinem Schützling auch dies gelingen würde, hatte sie doch schon weitaus schwierigere Aufgaben bewältigt.
»Und dabei wird es auch bleiben - das schwöre ich, Pater«, unterbrach Alberta seine Gedanken und im ersten Augenblick wusste er gar nicht mehr, worauf sie sich bezog.
Die Gräfin bewies an diesem Tag, dass sie sich sehr wohl auch gegen feindlich gesinnte Mitkommissare durchzusetzen vermochte.
» Ich leite die Verhandlung, meine Herren!«, rief sie den Anwesenden knapp und bestimmt die Zuständigkeiten in Erinnerung. »Und ich als Oberster Kommissar bin der Meinung, dass wir es hier mit einem geradezu klassischen Fall von Unschuld im Sinne der Anklage zu tun haben. Seht Euch die Gräfin nur an!«
Alberta deutete auf das Häuflein Elend, das geistig abwesend auf seinem Armesünderbänkchen hockte, entsetzlich abgemagert und totenblass.
»Sie wirkt auf mich, als wäre sie überhaupt nicht mehr bei Sinnen. Ich bin mir fast sicher, die junge Frau begreift gar nicht, worum es überhaupt geht. Sie ist seelisch schwer krank - das haben auch namhafte Kapazitäten hier vor uns ausgesagt. Und eine geistig nicht gesunde Person kann für eventuelle Vergehen nicht verantwortlich gemacht werden.
Weshalb also weiter das Gericht
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