Die Hexenadvokatin
krächzende Stimme vernahm, machte man dem greisen Jesuiten respektvoll Platz. Er war zwar nicht sehr beliebt, aber aufgrund seiner herausragenden Stellung bei
Hofe genoss er hohes Ansehen und jeder ließ es sich angelegen sein, ihn zu hofieren.
Die Preysing’schen Gäste warteten insgeheim darauf, dass er zu seinem Lieblingsthema überginge, der Ausrottung aller Ketzer. Überall witterte Pater Contzen diese Geißel des Herrn - vergleichbar mit den alttestamentarischen Plagen. Zu seiner Ehrenrettung musste man sagen, dass wahrlich kein Mangel herrschte an geheimen Zirkeln, Bünden und obskuren Gesellschaften aller Art. Die meisten beschäftigten sich mit Alchemie, vornehmlich mit der geheimnisumwitterten Kunst der Goldmacherei.
Und wirklich, sogleich fing der herzogliche Beichtvater an:
»Das Material bekommen die niederen Schichten reichlich geliefert von ihren eigenen Landesherren, wie etwa vom Fürsten von Anhalt, vom Kurfürsten Joachim von Brandenburg und nicht zu vergessen auch von Philipp von Hessen-Butzbach, der sich persönlich zwar schlau zurückhält, dafür aber seinen Leibarzt, Daniel Mögling, in seinem Auftrag agieren lässt. Kein Wunder, dass der Mob immer aufsässiger wird!«
»Aha«, dachte Alberta, »der Protestantenfresser hat wieder einen Weg gefunden, sein Lieblingsthema anzusprechen. Ungeheuer klug ist er zweifelsohne, der alte Fuchs.«
Inzwischen hatte der Hausherr die Rede auf die Stadt Prag gebracht, seit langem der absolute Mittelpunkt aller möglichen obskuren Künste und Wissenschaften, besonders der Astrologie, Alchemie und der Geheimlehren. Das war ein Thema, dem alle gern ihre ungeteilte Aufmerksamkeit widmeten.
In einer lebhaften Wortgewandtheit, die man dem gealterten Mönch gar nicht mehr zugetraut hätte, wusste Pater Winfried die Sage um den Rabbi Löw und seinen Golem zu schildern, jene aus Lehm erschaffene Kreatur, die mit Zaubersprüchen zum Leben erweckt werden konnte. Während Pater
Contzen den Benediktinermönch mit giftigen Blicken bedachte, fühlten sich die übrigen Gäste bestens unterhalten und lauschten voll Spannung und nicht ohne den Anflug eines wohligen Grauens.
»Was macht Eure Arbeit am Codex Maximilianeus , Graf?«, erkundigte sich Herr von Preysing, indem er sich an Alberta wandte, offensichtlich bemüht, nach der Gruselmär des Mönchs ein anderes Gesprächsthema aufzugreifen.
»Durch den Prozess bin ich kaum dazu gekommen, aber nun werde ich mich der Sache wieder uneingeschränkt widmen«, kündigte Alberta an. »Es handelt sich dabei ja nicht um juristisches Neuland. Bereits im Jahr 1599 saßen Rechtskundige in herzoglichem Auftrag beisammen, um sich über den Codex Gedanken zu machen. Im Jahre 1606 hat man überdies die Landstände zur Beratung hinzugezogen. Bayern besaß immer ein sehr durchdachtes Rechtssystem, auf dem man ohne weiteres aufbauen kann. Im Großen und Ganzen geht es also um eine Erweiterung, eine Durchsicht und eine allgemeine Modernisierung.« Fast ohne es zu wollen, war Alberta ins Dozieren geraten.
Aber so leicht ließ sich Pater Contzen nicht aus dem Konzept bringen und noch viel weniger den Faden des Gesprächs aus der Hand nehmen. Ihm war jetzt keineswegs danach zumute, sich Kommentare über Gesetzestexte anzuhören. Konnte er doch mit einer regelrechten Sensation aufwarten, mit der er unverzüglich herausplatzte, ohne sich auch nur zu bemühen, an die Ausführungen der Gräfin anzuknüpfen:
»Man munkelt, dass Adam Haslmayr sich nach nur einem Jahr Galeerenstrafe bereits wieder auf freiem Fuß befindet«, rief er fast triumphierend in die Runde.
»Unmöglich!«, »Das halte ich für ausgeschlossen!«, »Da
muss er aber einen bedeutenden Fürsprecher besitzen!«, »Er wurde doch erst im vergangenen Jahr zu vier Jahren Galeere verurteilt!«, schallte es durch den Preysing’schen Salon.
Pater Contzen hob mit einem selbstgefälligen Lächeln die Hand, sichtlich erfreut, dass nun wieder ihm die ungeteilte Aufmerksamkeit galt. »Gemach, Freunde, gemach! Vorerst ist es nur ein Gerücht - obwohl ich sagen muss, dass einiges für seinen Wahrheitsgehalt spricht. Man muss dazu wissen, dass einer der großen Gönner dieses Ketzers der einflussreiche Adlige Andrea di Grimaldi in Genua ist - den ich persönlich für nichts anderes als einen Seeräuber halte. Ihm wäre es ein Leichtes, den Sträfling von der Galeere zu holen und bei sich zu verstecken. Wahrscheinlich ist Grimaldi selbst ein Ketzer, der sich mit schwarzer Magie
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