Die Hexenadvokatin
den Befehlen aus Innsbruck Folge zu leisten. Der hinterhältige Jesuit indes denunzierte Haslmayr erneut. Er behauptete, sein Kontrahent sei ein schlechter Katholik, der nicht zur Beichte gehe; möglicherweise sei er gar ein heimlicher Protestant.
Haslmayr nahm die Angelegenheit am Anfang gar nicht
ernst - er verkannte die Gefährlichkeit seiner Lage. Da erhielt er die gerichtliche Aufforderung, sich zu den Vorwürfen zu äußern. Jetzt wurde ihm klar, dass hinter dem Ganzen die Behauptung stand, er sei ein Anti-Katholik, ein Anhänger des Paracelsus, ein heimlicher Lutheraner, ein Sektierer, kurz gesagt, ein Mann, der mit dem Teufel paktiert.
Schließlich setzte sich der gutmütig-naive Haslmayr hin und verfasste eine Verteidigungsschrift. Diese Schrift hat er seinem Freund Carl Widemann in Augsburg gezeigt. Als der hörte, dass Haslmayr damit zu seinem Landesvater gehen wollte, riet er ihm händeringend davon ab. Aber der verstand das nicht. Bisher habe der Erzherzog ihn doch immer in seinen alchemistischen Versuchen bestärkt. Er wolle ihn doch nur um Schutz und um Gerechtigkeit bitten. Was könne ihm da schon passieren?«
Pater Winfried regte sich während des Erzählens immer mehr auf. »Ein folgenschwerer Irrtum, meine Tochter! Der Erzherzog empfing ihn zwar freundlich und deutete an, alles werde sich schon zum Guten wenden; dann schickte er ihn mit einem versiegelten Schreiben nach Innsbruck zurück. In dem Schreiben hieß es jedoch, Haslmayr vertrete ketzerische Ansichten. Der Fürst befahl, man solle ihn verhaften, nach Genua bringen und anschließend auf die Galeeren schicken, wo er gewöhnliche Arbeit zu verrichten habe. Mit zweiundfünfzig Jahren wurde er somit Galeerensträfling.«
»Das ist ja ungeheuerlich«, empörte sich Alberta. »Was für ein infames Vorgehen!«
Pater Winfried zuckte die Schultern. »Die Willkür der Obrigkeit, meine Tochter, angestachelt durch die Missgunst eines Jesuiten!« «
Dann ergänzte er noch: »Im Dezember 1612 erhielt Carl Widemann in Augsburg ein erstes Lebenszeichen des Freundes,
den man an das Ruder der Galeere Sankt Georg geschmiedet hatte.«
»Möge dieser Guarinoni einst in der Hölle schmoren!« Alberta war wirklich entrüstet.
»Amen.« Der alte Benediktiner gähnte diskret.
Aber ehe sich Pater Winfried in dieser Nacht zur Ruhe legte, wollte er noch eines wissen: »Habt Ihr es eigentlich sehr bedauert, Alberta, dass Ihr an der Hochzeit Eurer Schwester nicht teilnehmen konntet?«
Überrascht schaute Alberta auf.
»Nein, Pater. Wenn ich ehrlich sein soll, war ich sogar sehr erleichtert, dass mir das erspart blieb. Und das hat mehrere Gründe. Erstens bin ich nicht sehr erpicht darauf, meine italienischen Verwandten so bald wieder zu sehen. Oheim Serafino und Tante Paolina haben mich sehr enttäuscht, als ich das letzte Mal ihre Unterstützung gebraucht hätte. Sie gaben mir deutlich zu verstehen, dass ich ihnen nicht sehr willkommen war. Mein Vetter Maurizio, der Jesuitenpater, und sein Bruder Fabrizio, mein jetziger Schwager, waren auch nicht gerade hilfreich; beide haben mich ausgesprochen kühl behandelt.«
»Ihr spracht von mehreren Gründen, meine Liebe«, erinnerte sie sanft der Benediktiner, als Alberta verstummte. Die junge Frau schwieg eine ganze Weile. Dann seufzte sie.
»Der zweite Grund ist, dass ich es nicht ertragen hätte, Pater, Zeugin des Liebesglücks meiner kleinen Schwester Auguste zu sein. Ich weiß, das beweist eine niedrige Gesinnung, nämlich Neid. Und ich schäme mich auch dafür. So sehr ich ihr die Ehe mit einem Mann, den sie liebt, gönne, so sehr hätte es mich traurig und wütend gemacht, nur immer Zuschauerin des Glücks anderer zu sein. Wann werde ich endlich auch zu Gottes geliebten Kindern zählen und ebenfalls glücklich sein dürfen?«
Unvermittelt brach ihr Schmerz sich Bahn. Die junge Frau bedeckte ihr Gesicht mit den Händen und schwieg. Nur am Beben ihrer schmalen Schultern war die Intensität des seelischen Kummers, der sich im Laufe der Jahre in Alberta angestaut hatte, abzulesen. Bestürzt erhob sich der Pater aus seinem Sessel und ging zu ihr. Wortlos nahm er Alberta in den Arm und wiegte sie wie ein kleines Kind.
»Meine liebe Tochter«, sagte er nach einer Weile mit belegter Stimme, »weint ruhig. Schämt Euch nicht Eurer Tränen; sie sind berechtigt und sie werden Euren Kummer ein wenig erleichtern. Aber eines versichere ich Euch aus ganzem Herzen: Ihr dürft auf keinen Fall denken, dass es ein Zeichen
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