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Die Hexenadvokatin

Die Hexenadvokatin

Titel: Die Hexenadvokatin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karla Weigand
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bei wenigen Betroffenen bleibt, besteht keine Epidemiegefahr«, meinte Pater Winfried und die meisten nickten. Man würde die Ärmsten ins Nachtgebet einschließen.

KAPITEL 59
    2. April 1612, auf dem Nachhauseweg
     
    ES FIEL LEICHTER Nieselregen, als Alberta und Pater Winfried sich anschickten, die wenigen Meter ihres Heimwegs zurückzulegen, in Begleitung eines Preysing’schen Hausdieners, der mit einer Laterne die dunklen Gassen des nächtlichen München ausleuchtete.
    Kurz vor dem Palais Mangfall begegneten sie dem Nachtwächter, der Mitternacht ausrief. Ansonsten waren die Gassen menschenleer. Auch das Räderrollen der Kutschen von Gästen, die weiter entfernt wohnten und nicht zu Fuß hatten gehen wollen, war längst verklungen.
    »Sogar die Hunde scheinen heute schon zu schlafen«, sagte der Benediktinerpater und gähnte. »Ich bin auch müde und wünsche Euch eine gute Nacht und angenehme Träume.«
    Beide erklommen die Marmorstufen und Alberta bediente behutsam den Türklopfer aus Messing, um nicht die ganze Nachbarschaft aufzuwecken. Einer der Bediensteten öffnete das Portal und begrüßte die Spätheimkehrer leise.
    Die Gräfin schien enttäuscht. »Seid Ihr wirklich schon so erschöpft, Pater?«, erkundigte sie sich im großzügigen Vestibül. »Ich dachte, wir könnten uns noch ein Weilchen in den kleinen Salon setzen und ein wenig plaudern.«

    »Wie Ihr wünscht, meine Liebe. Ein Weilchen werde ich alter Mann es wohl noch aushalten, ehe mir die Augen zufallen«, gab der Mönch nach.
    Er konnte sich schon denken, was seinem Schützling auf der Seele lag.
     
    »Ich habe - im Gegensatz zu allen anderen Anwesenden - kein Wort davon verstanden, was Pater Contzen über diesen Adam Haslmayr erzählt hat. Wieso wurde der Mann zur Galeere verurteilt?«, erkundigte sich Alberta, kaum dass sie am Kamin Platz genommen hatten.
    »Und das mit zweiundfünfzig Jahren, meine Liebe«, empörte sich Pater Winfried. »In dem Alter kommt diese Art von Strafe der Verurteilung zum Tode gleich. Das Ganze war ein ausgemachter Schurkenstreich. Und ausgeführt wurde er von den Jesuiten - Gott strafe sie dafür.«
    Die Gräfin wusste, dass ihr Mentor nicht gut auf die Societas Jesu zu sprechen war - wie übrigens die meisten anderen Orden auch nicht viel von »den Spaniern«, diesen Lieblingen der bayerischen Herzöge, hielten.
    »Das müsst Ihr mir genauer erklären, Pater«, bat sie. Der Benediktiner wickelte sich eine bereitliegende Decke um die Beine - der Kamin war bereits erkaltet und es lohnte nicht, ihn durch einen Diener erneut anfeuern zu lassen - und begann, die Geschichte des Adam Haslmayr zu erzählen.
    »Der Betreffende stammt aus Bozen in Tirol, ist Arzt, Komponist und Anhänger einer religiös-philosophischen Lehre der Allweisheit, der sogenannten Pansophie. Er ist ein Mann vielfältiger Interessen und Begabungen. Im vorigen Sommer war er bei seinem Freund, dem Augsburger Stadtarzt Carl Widemann, um diesen um Rat zu bitten.
    Danach wollte er sich zu seinem Landesvater, Erzherzog
Maximilian III., begeben, der sich augenblicklich in Wien aufhielt, und ihn um Schutz gegen einen hartnäckigen Feind bitten. Seit Jahren nämlich versuchte der intrigante Jesuit Hippolytus Guarinoni Adam Haslmayr zu schaden.
    Beide sind Ärzte, vertreten aber verschiedene medizinische Richtungen. Als Haslmayr Bozen verließ und sich im Inntal ansiedelte, geriet er mit dem Jesuitenpater aneinander. Während Haslmayr Anhänger des Paracelsus ist, wandelt Guarinoni auf den Spuren des griechischen Arztes Galenus.
    Dann brach, wie Ihr wisst, im Inntal der Schwarze Tod aus. Der Jesuit machte sich davon und empfahl den betroffenen Bauern aus sicherer Entfernung das Vaterunser als Allheilmittel, während Haslmayr blieb, solange die Seuche wütete. Er half, sie unter Gefährdung seines eigenen Lebens zu bekämpfen - und zwar mit nicht geringem Erfolg. Guarinoni aber schwärzte den bis zur völligen Erschöpfung arbeitenden Doktor Haslmayr inzwischen beim Erzherzog in Innsbruck an: Er selbst, der ›Ketzer und Schwarzkünstler‹ Haslmayr, habe den Ausbruch der Seuche herbeigeführt, nur um sich als Heiler zu profilieren …«
    Alberta schnaubte empört. »Was für ein gemeiner Intrigant!«
    »Aber er hatte Erfolg! Der Erzherzog wies die örtlichen Behörden in Hall an, Haslmayr, seine Bücher, seine Notizen, seine Briefe et cetera zu kontrollieren. Doch die Menschen im Inntal verehrten ihren uneigennützigen Doktor und weigerten sich strikt,

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