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Die Hexenadvokatin

Die Hexenadvokatin

Titel: Die Hexenadvokatin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karla Weigand
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weiß, gute Frau. Nehmt es mir nicht übel. Es bedeutet keineswegs, dass ich Euch keinen Glauben schenke.«
    »Warum dann die dauernden Wiederholungen, Herr Graf?«, mischte sich der »Eisenhans« unwillig ein. »Mein Weib kann es halt nur so wiedergeben, wie es gewesen ist.«
    »Ihr guten Leute«, entgegnete Alberta beschwichtigend, »ich habe viele verschiedene Bilder in meinem Kopf. Indem ich die Worte Eurer Frau höre, Meister Bürgler, formt sich daraus allmählich ein einziges Bild. Und dieses verrät mir dann, wie es sich vermutlich abgespielt hat. Und am Ende
weiß ich hoffentlich, was tatsächlich passiert ist, und vielleicht auch, warum.«
    »Ach so? Aber verzeiht, Herr, die Tatsache, dass das arme Mädchen in der Kammer in seinem eigenen Blut geschwommen ist, sagt doch alles! Es hat sich die Adern geöffnet und …« Mit einem Blick auf Albertas düstere Miene verstummte der Kerkermeister.
    »Sicher, Meister Bürgler, sicher! Aber die Frage ist doch, ob das die Jungfer selbst getan hat - oder ob vielleicht ein anderer nachgeholfen hat.«
    Alberta war allmählich ein wenig ungehalten über die dauernden Einwände des »Eisenhans«.
    »Ein Anlass, so eine fürchterliche Tat zu begehen, war für das Mädchen doch eigentlich nicht gegeben«, unterstrich sie nochmals ihre Zweifel.
    »Ein vernünftiger jedenfalls nicht«, murmelte Pater Winfried. Die Henkersleute erschraken sichtlich; beide wurden leichenblass.
    »Aber Herr!« Die Bürglerin schluchzte jetzt hemmungslos und presste dazwischen stoßweise hervor: »Ihr glaubt doch nicht, dass wir etwas damit zu tun haben, oder? Warum hätten wir dem edlen Fräulein etwas antun sollen? Sie war uns ein lieber Gast, der zudem ordentlich bezahlt hat. Das heißt, sie hat versprochen, dass ihr Vater das übernehmen tät’!
    So wie es jetzt ausschaut, werden wir wohl kaum einen einzigen Heller von unseren Auslagen ersetzt bekommen«, jammerte die Frau des Kerkermeisters und zupfte an ihrem verrutschten Brusttuch herum.
    Ihr Mann fügte brummig hinzu: »Ich werde es jedenfalls nicht fertigbringen, dem unglücklichen Vater eine Rechnung für den Aufenthalt seiner armen Tochter zu präsentieren. Wir
sind wirklich nicht geldgierig. Auch wenn uns die Leut’ wegen meines blutigen Handwerks für unehrlich halten.«
    Alberta war ein wenig beschämt und versuchte, die beiden zu beschwichtigen:
    »Ich weiß, Ihr seid anständige Menschen - jedenfalls rechtschaffener als viele sogenannte ehrenwerte Bürger. Natürlich glaube ich nicht, dass Ihr etwas mit der Tat zu schaffen habt. Aber ich bitte Euch, lasst mich meine Arbeit so ausüben, wie ich es für richtig halte.«
    »Verzeiht, Herr! Natürlich! Fragt nur, was und so oft Ihr wollt«, lenkte die Frau rasch ein und trocknete sich die verheulten Augen mit einem Zipfel ihrer leinenen Schürze, während Hans Bürgler gelobte, ab jetzt seinen Mund zu halten und nur zu reden, wenn man ihn fragte. Im Geiste rekapitulierte die Gräfin die bisherigen Erkenntnisse und diktierte sie dem eilig herbeigerufenen Gerichtsschreiber fürs Protokoll. Es musste sich so - oder jedenfalls sehr ähnlich - abgespielt haben:
    Die Jungfer war nach dem gemeinsamen Mahl zur Feier ihres Freispruchs erst spät - etwa gegen halb zwölf - in offenbar gelöster Stimmung in ihre Kammer hochgestiegen. Die Bürglers hatten sich gleichfalls zur Ruhe begeben, während die Kinder schon seit etwa zwei Stunden schliefen.
    Alle Familienmitglieder hatten ihre Schlaflager im dritten Stockwerk des Falkenturms; einzig Constanzes Kämmerchen lag noch eine Etage höher. Es war ein ziemlich düsterer, muffig riechender Raum, in dem man einst die ledernen, mit Draht verstärkten Beizhandschuhe, die Lederkappen und das Geschüh für die Jagdfalken, die Habichte und Sperber, sowie die Drahtkäfige für die Lockvögel aufbewahrt hatte.
    Gleichzeitig war es der einzige Raum der Wohnung, dessen winziges Fenster auf die freien Felder außerhalb Münchens
hinausging. Darunter verlief der mit schlammiger Brühe gefüllte Stadtgraben.
    Dieses Fenster, eher eine schmale Luke, durch die sich höchstens ein kleines Kind hindurchzwängen könnte, war nicht vergittert; alle anderen waren mit massiven Eisenstäben versehen - sogar die Fenster im ersten Stock des Gerichtssaals.
    So wenig ein Erwachsener durch den Mauerschlitz die Flucht ergreifen konnte, so undenkbar war es, dass ein Mensch den umgekehrten Weg in die Kammer genommen hatte.
    Ein eventueller Mörder Constanzes müsste sich

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