Die Hexenadvokatin
wuchsen allerlei Beerensträucher, Küchenkräuter und Gemüsearten, die der Graf von seinem heimischen Nutzgarten her kannte. Vom Schlossturm der Residenz her hörte man eine Uhr schlagen.
Es war genau zehn und in einer Stunde erst sollte er den Herzog treffen. Nun, vielleicht konnte er sich die Zeit bis dahin noch mit einem weiteren Rundgang durch die Stadt vertreiben. Wolfgang Friedrich wollte sich bei seinem Führer bedanken, als er bemerkte, dass dieser gar nicht mehr neben ihm her schritt.
Ein rascher Blick jedoch zeigte ihm den jungen Mann, der, gleich den Gärtnerburschen und anderem Gesinde, auf die Knie gesunken war und die Hände brav gefaltet hielt.
»Herrgott noch mal! Schon wieder dieser Humbug«, dachte der Graf, sein Haupt entblößend. Das musste genügen.
Er wollte keinem das Schauspiel bieten, dass er hernach fremder Hilfe bedurfte, um wieder aufstehen zu können. Er litt hin und wieder an Rheumatismusschüben und war froh, wenn er noch allein aufs Pferd kam.
Unwillkürlich musste er schmunzeln, als er an die Gerüchte dachte, welche besagten, der Herzog habe durch sein exzessives Knien in Kirchen und Kapellen bereits deformierte Gelenke und eine dicke Schicht Hornhaut auf den Kniescheiben …
Das Trinkgeld, welches Wolfgang Friedrich dem herzoglichen Diener zum Abschied reichte, erfreute den jungen Kerl sichtlich. Er entfernte sich unter etlichen Bücklingen und ließ den spendablen Herrn offenbar nur ungern allein. Er hätte ihm noch so viel zu zeigen, bot er beflissen an.
Aber der Graf zog es vor, die Zeit, die ihm noch blieb, ehe er sich mit dem Herzog auseinanderzusetzen hatte, in anderer Weise zu nützen. Er würde sich zu den neuen Hofgartenanlagen hinüber begeben, mit denen im Frühjahr begonnen worden war, und in aller Ruhe noch einmal überlegen, wie er die leidige Sache anpacken konnte, ohne den Herzog allzu sehr vor den Kopf zu stoßen.
»Was bringt es mir - oder meinem Nachfolger -, wenn die
Mangfall-Pechsteiner mit dem Haus Wittelsbach zerstritten sind?«, dachte er voll Pragmatismus. »Die Preysings sind viel diplomatischer als ich. Sie halten’s seit langem mit der in Bayern herrschenden Familie - und fahren weiß Gott nicht schlecht damit.«
KAPITEL 5
4. November 1603, 11 Uhr vormittags in der Residenz
ALS IHM DIE Tür zum Audienzsaal geöffnet wurde, und er einen Schritt ins Innere gemacht hatte, schrak der Graf unwillkürlich zurück. Direkt vor ihm stand der Herzog in Hut, Mantel und Rapier.
»Heilige Jungfrau, was für ein martialischer Empfang«, schoss es ihm durch den Kopf. Die ohnehin winzige Hoffnung auf ein einigermaßen befriedigendes Ergebnis seines Vorstoßes schmolz völlig dahin. Zu seinem Erstaunen begrüßte ihn der Herzog aber recht leutselig mit einer herzlichen Umarmung.
»Verzeiht, Vetter, aber mir ist heute nicht nach Stubenhocken zumute. Ich will Euch draußen einiges zeigen. Wir können uns ja während des Gehens unterhalten, wenn Ihr einverstanden seid?«
Was blieb dem Grafen anderes übrig, als seinem Landesherrn zu folgen …
»Zum Glück habe ich mich ebenfalls ein bisschen herausgeputzt«, dachte er, »um neben Maximilian in seinem goldbestickten Wams mit dem seidenen Überwurf und den gefältelten Pumphosen bestehen zu können.«
Im Geiste dankte er seiner umsichtigen Gemahlin, die ihn genötigt hatte, seinen dunkelblauen Samtanzug mitzunehmen - sonst müsste er jetzt in der ledernen Reitkleidung neben seinem »Verwandten« herstiefeln.
Immerhin war Wolfgang Friedrich neugierig, was den Herzog so umtriebig machte. Gleich darauf wusste er es: Maximilians Schwester Magdalena sollte noch in diesem Monat den Pfalzgrafen Wolfgang Wilhelm heiraten und noch so viel war vorzubereiten …
Voll Erstaunen lauschte der Graf und erkundigte sich vorsichtig:
»Den Pfalzgrafen von Neuburg, sagtet Ihr, Herzog? Aber, soviel ich weiß, ist der doch Protestant und …«
»Psst! Nicht so laut, mein Lieber. Ich werde es Euch erklären.« Und mit einem schiefen Grinsen fasste Maximilian seinen Besucher am Ärmel und geleitete ihn in Richtung Brunnenhof.
»Ich kann mir schon denken, dass Euch das verwundert, Vetter. Aber ich versichere Euch, dass diese Heirat für das Haus Wittelsbach von großer Bedeutung ist. Die Mutter des Bräutigams stammt nämlich aus den Vereinigten Herzogtümern von Jülich, Kleve und Berg.«
»Ah, ich verstehe«, fiel ihm der Graf ins Wort. »Und somit besteht Aussicht, dass Euer Schwager in spe irgendwann in den
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