Die Hexenadvokatin
ihre Schuld, dass es nur Männern erlaubt war, sich an Universitäten ausbilden zu lassen.
Dass ihr riskantes Spiel sie womöglich ins Unglück stürzen konnte, daran verschwendete sie keinen Gedanken.
Aber Pater Winfried dachte sehr wohl daran und fühlte sich dann regelmäßig ebenso betroffen wie hilflos. Was wäre, wenn sich sein Schützling verliebte? Gutaussehende junge Burschen um sie herum gab es genug. Zum Glück betrachtete Alberta keinen davon als möglichen Liebhaber - bis jetzt. Erst vor kurzem hatte der Pater sie direkt darauf angesprochen.
»Wie gefallen Euch die jungen Männer hier denn so?«, ließ er betont beiläufig einfließen und beobachtete dabei scharf ihre Reaktion.
»Ganz gut, Pater«, gab Alberta harmlos zurück. »Die meisten sind zuverlässige Kameraden und Studiengenossen, die einem auch mal aus der Patsche helfen, wenn man etwas nicht so genau weiß. Und man kann prima mit ihnen lernen und diskutieren, Sport treiben und auf die Jagd gehen.«
Dann lachte sie plötzlich. »Zum Glück ist keiner dabei, der gerne zum Bergsteigen geht. Sonst müsste ich das auch noch machen - obwohl ich es hasse, mich abzumühen, um auf einen Gipfel zu gelangen. Das war eigentlich das Einzige, was Rupert und ich nicht gemeinsam hatten: Die Lust, auf Bergen herumzuklettern.«
»Und sonst?«, bohrte Pater Winfried ungeduldig weiter. »Was meint Ihr, Pater?« »Nun ja! Die meisten stammen aus bester Familie und so manch einer sieht wirklich gut aus. Da könnte es doch sein, dass Ihr Euch in den einen oder anderen verguckt …«
»Ach so, darauf wollt Ihr hinaus! Nein, nein! Da macht Euch nur keine Gedanken, Pater. Für mich sind sie nichts
weiter als Studienfreunde und gute Kameraden - ansonsten sind sie allesamt noch sehr grün hinter den Ohren und interessieren mich als Männer überhaupt nicht«, bemerkte Alberta leicht altklug.
Das ließ den Benediktiner fürs Erste erleichtert aufatmen.
Die beiden hatten sich ihr Leben in Bologna im Laufe der Jahre gut eingerichtet. Außerhalb der Hörsäle war Alberta in ihrer freien Zeit viel mit ihren Kommilitonen unterwegs oder zusammen mit ihrem Mentor. Pater Winfried und sie besuchten gemeinsam die Messen und Andachten, unternahmen Ausflüge in die Umgebung, statteten den zahlreichen Kirchen der Stadt einen Besuch ab, um sich an der Baukunst zu erfreuen, oder waren zu Gast bei adligen Familien.
Da Alberta nicht der einzige Student war, der einen geistlichen Herrn als Präzeptor hatte, taten sie sich manchmal mit anderen zusammen, um etwa ein Konzert zu besuchen, das einer der Bologneser Edelleute in seinem Palazzo aufführen ließ, oder sie mieteten zu viert oder zu sechst eine Kutsche und ließen sich über Land fahren.
Die junge Gräfin hatte sich mühelos in Italien eingelebt und das Gefühl des Heimwehs nach ihrer Familie, dem Schloss im Chiemgau und dem »bayerischen Meer«, dem Chiemsee, hielt sich in Grenzen, solange sie viel unternahm. Außerdem kehrten die beiden regelmäßig in den Ferien nach Hause zurück, was jedes Mal wie ein kleines Fest war.
Alberta staunte dann immer, wenn sie entdeckte, dass die kleinen Geschwister allmählich größer wurden und die Eltern ein klein wenig zu altern schienen. Eines Tages stellte sie verblüfft fest, dass sie ihren Vater an Körpergröße überragte.
Das Lernen fiel Alberta immer noch sehr leicht, wie der Pater befriedigt registrierte, als Alberta ihm wieder einmal eine mit »sehr gut« bewertete juristische Hausarbeit vorlegte.
Alberta hoffte inständig, dass sie die Benotung summa cum laude auch bei ihrer Doktorarbeit erreichen würde. Denn der Herzog verlangte von seinen Räten unbedingt, dass sie ihr Studium »mit allerhöchstem Lob« abschlossen.
Sie brannte darauf, endlich in München beim Herzog, den sie unheimlich verehrte, vorstellig zu werden, um bei Hofe eine Anstellung zu finden.
KAPITEL 11
Im März 1610, wieder zurück in Bayern
BEINAHE SIEBEN JAHRE waren seit Albertas Aufbruch nach Bologna verstrichen - eine ziemlich lange Zeit. Und dennoch schien es ihr, als wäre es erst gestern gewesen, dass sie sich von ihrer Familie verabschiedet hatte.
Seit einigen Wochen war Alberta wieder zu Hause; und heute feierte sie ihren vierundzwanzigsten Geburtstag nach. Es war ein enorm wichtiger Tag im Leben der jungen Edeldame, denn noch auf ein anderes Ereignis galt es anzustoßen: War sie doch in München von Herzog Maximilian zum Mitglied des Geheimen Hofrats ernannt worden!
Alberta
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