Die Hexenadvokatin
Tatsache, dass sie als »Hexenrichter« den Malefizprozess über die beliebte Freda geführt hatte, machte sie in deren Augen suspekt. Die Begrüßung war entsprechend frostig und es dauerte eine Weile, ehe die Freude über das Wiedersehen überwog.
»Natürlich sind Fritz und ich stolz darauf, dass der Herzog dich offensichtlich sehr schätzt! Aber dass du dich dazu hergibst, Rupi, unschuldige Frauen foltern und gar verbrennen zu lassen, das finden wir gar nicht gut«, sagte ihr Auguste Friederike frei heraus ins Gesicht.
Nur zögernd schenkte die junge Dame Alberta Glauben, als sie ihr zu erklären versuchte, dass sie sich ihre Prozesse nicht aussuchen könne. Der jüngere Bruder äußerte sich dazu zwar nicht, aber Alberta spürte auch seine Vorbehalte.
Ihr graute es bereits vor der ersten Begegnung mit dem vor Kummer uralt gewordenen Präzeptor. Aber der greise Mann bewies erstaunliche Haltung, als er sich bei ihr mit warmen Worten für die Seelenmessen zugunsten des ewigen Heils seiner unglücklichen Tochter bedankte.
»Friedrich August mit seinen beinahe vierzehn Jahren ist fast ebenso groß wie ich und ein ausnehmend hübscher Knabe von wacher Intelligenz und großer Liebenswürdigkeit«, bemerkte Alberta einige Tage später, als sie mit ihren Eltern beisammensaß.
Die gräfliche Familie hatte soeben das mittägliche Mahl beendet; da es ein Freitag war, gab es nur eine magere Fischsuppe mit Gemüseeinlage und dazu Wasser. Die jüngeren Kinder hatten die Tafel bereits verlassen, nur Alberta war noch geblieben. Die Mutter lachte geschmeichelt.
»Die holde Weiblichkeit versteht der Bengel heute schon um den Finger zu wickeln«, knurrte Graf Wolfgang Friedrich abwehrend. Bei allem Unwillen klang allerdings eine gewisse Befriedigung aus seinen Worten heraus. Seine Gemahlin meinte leichthin:
»Seid doch froh darüber, Carissimo. Oder hättet Ihr lieber einen Stoffel als Sohn? Dass er gutaussehend und charmant ist, wird sich bald in unseren Kreisen herumsprechen und das schadet ja nicht. Er wird sich einmal seine Braut unter den besten und vornehmsten Familien Bayerns - und sogar des Auslands - erwählen können.«
Der Graf kratzte sich sorgenvoll am Kopf. »Ihr werdet doch jetzt nicht schon anfangen wollen, den Kleinen zu verkuppeln, Liebste? Er ist gerade mal dreizehn!«
»Na und? In anderen Sippen ist es üblich, den Nachwuchs bereits in der Wiege zu verloben. Außerdem wird unser Fritz schneller erwachsen sein, als uns lieb ist. In zwei Monaten wird er vierzehn und in der letzten Zeit ist er unheimlich in die Höhe geschossen und im Stimmbruch ist er schon seit längerem.«
Der Hausherr überlegte und nickte nach einer Weile. »Ich denke, Ihr habt Recht, liebste Leonora. Daher auch die Reaktion
des Grafen von Heilbrunn-Seligenthal, als ich ihm die abschlägige Antwort bezüglich ›unseres Ältesten‹ erteilt habe. Er hat gemeint, auch unser zweiter Sohn wäre nicht schlecht für seine Tochter. Die zwei Jährchen, die seine Constanze älter ist, würden wohl nicht schaden.«
»Es scheint, dass die Heilbrunner unbedingt mit uns verwandt werden möchten, Wolfgang Friedrich. Aber wir werden auf keinen Fall sofort zusagen, nicht wahr? Wer weiß, ob sich nicht noch etwas viel Besseres anbietet …«, überlegte die Gräfin. »Wir haben doch auch beste Beziehungen nach Italien.«
Zweifellos war die Heiratspolitik eine äußerst diffizile Sache, mit weitreichenden Konsequenzen für Macht und Einfluss der einzelnen Adelsfamilien, und daher wohl zu überdenken.
Auch Alberta konnte sich von der Tatsache überzeugen, dass ihr kleiner Bruder sozusagen über Nacht zum Mann geworden war. Die Art und Weise, wie sie es erfuhr, war allerdings nicht dazu angetan, ihr besondere Freude zu bereiten.
Eines frühen Morgens wollte sie gerade ihr Pferd im Stall satteln, um einen ihrer geliebten Ausritte in die Umgebung zu unternehmen. Dieses Jahr war überraschend wenig Schnee gefallen, alle Hänge waren bereits aper; nur auf den Matten auf der Nordseite lag noch eine dünne weiße Schicht.
Alberta freute sich auf den Genuss, sich bei flottem Trab auf dem Rücken ihres Braunen die eisigkalte Luft um die Nase wehen zu lassen und der gerade über die Bergspitzen heraufkriechenden, blutroten Sonne entgegenzureiten. Dieses Vergnügen konnte sie sich in München so gut wie niemals gönnen. Das wusste schon Herzog Maximilian zu verhindern, der sie stets noch vor Morgengrauen zu sich beorderte …
Kaum hatte die Gräfin
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