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Die Hexenadvokatin

Die Hexenadvokatin

Titel: Die Hexenadvokatin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karla Weigand
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entgegengenommen hatte, verschwand er wieder auf seine - in aller Regel heruntergekommene - Burg und wartete darauf, dass man seiner erneut bedurfte.
    Aber nichtsdestotrotz ließen sich die Münchner von dieser Art Verwirrspiel nicht täuschen. Sobald »Graf Rupert« sich in den Straßen zeigte, deuteten die Bürger mehr oder minder offen mit den Fingern auf Alberta und raunten einander: »Schaugts, da kimmt der Hexenrichter!«, zu. Frauen und Kinder wichen ihr scheu aus, die Männer bedachten sie mit scheelen Blicken.
    »Beinahe bin ich schon so beliebt wie der Scharfrichter persönlich«, beklagte sich die junge Gräfin bei Pater Winfried ein ums andere Mal, wenn sie des Abends erschöpft nach Hause kam. Der aber versuchte sie damit zu trösten, dass das nur zu Anfang so sei.
    »Im Laufe der Zeit und nach weiteren derartigen Prozessen werden die Münchner gar keine Notiz mehr von Euch nehmen. Die Leute haben im Allgemeinen ein kurzes Gedächtnis
und bald schon werden sie, wie man bei uns auf dem Land sagt, eine andere Sau durchs Dorf treiben, meine Tochter.«
    »Oh, besten Dank auch, Pater! Das ist mir ja eine wahre Beruhigung«, gab die Gräfin sarkastisch zurück. Aber sie hatte ihren Mentor und Freund durchaus verstanden und hoffte, dass dieser sich nicht irren sollte. Nichts war der jungen Edeldame mehr zuwider als diese Art von Popularität. In ihrem Inneren focht sie einen täglichen Kampf mit sich selbst aus, wenn sie des Amtes walten musste, das ihr mehr und mehr verhasst wurde. Ihr heimlicher Widerstand gegen ihre Arbeit begann seine Spuren zu hinterlassen: Oft waren Albertas Nerven zum Zerreißen gespannt und sie hatte die Grenzen ihrer Belastbarkeit erreicht.
     
    Mitten im scheußlich nasskalten Februar erbat sich die Gräfin vom Herzog drei Wochen Urlaub, den sie auf ihrem elterlichen Schloss in den heimatlichen Bergen oberhalb des Chiemsees verbringen wollte.
    »Ich verliere sonst womöglich jeglichen Kontakt zu meinen jüngeren Geschwistern«, begründete sie ihr Gesuch vor Maximilian. Der Herzog war keineswegs erfreut darüber, ausgerechnet seinen wichtigsten Geheimen Rat für so lange Zeit entbehren zu müssen. Der Landesfürst war der Meinung, eine oder höchstens zwei Wochen würden auch genügen, um sich bei Bruder und Schwester wieder in Erinnerung zu bringen.
    »Auguste Friederike, Eure Schwester, müsste jetzt eine junge Dame von fünfzehn Jahren sein und Euer Bruder, Friedrich August, ist, wenn ich mich recht erinnere, zwei Jahre jünger, nicht wahr?«
    Alberta war wieder einmal perplex über das geradezu unheimliche Gedächtnis des Herzogs, was Namen, Daten und Zahlen anbelangte.

    »Bei dem großen Altersunterschied zu Euch, Graf, dürfte es diesen Kindern ohnehin nicht ganz leichtfallen, eine vernünftige Unterhaltung mit Euch zu führen, oder?«, fragte Maximilian lauernd und heftete die wachen Augen auf sein Gegenüber.
    »Nun, Durchlaucht, ihrer Gouvernante, Frau Berta von Reichlin, sind beide längst entwachsen. Ihr Präzeptor, der Baron von Hoferichter - der im Übrigen auch lange Jahre mein Lehrer war -, ist ein so ausgezeichneter Pädagoge, dass beide durchaus in der Lage sind, mit Erwachsenen zu diskutieren.«
    »Es lag mir fern, Euren jungen Geschwistern die nötige Intelligenz abzusprechen, Graf!« Der Herzog schmunzelte ein wenig.
    »Ich meinte lediglich, dass es Euch womöglich langweilen könnte, Euch wochenlang mit noch so unreifen Menschen abzugeben.
    Aber ich sehe schon, Ihr brennt förmlich darauf, nach Hause zu reiten. Also gut, ich gewähre Euch die drei Wochen Urlaub. Und sagt Eurem Herrn Vater, dass ich ihn schon lange an meinem Hof vermisse.«
    »Das werdet Ihr wohl auch noch länger tun müssen«, dachte Alberta im Stillen. Sie wusste nur zu gut um den großen Unmut ihres Vaters wegen Fredas »Entführung«. Ihre namentliche Erwähnung des Präzeptors von Hoferichter war durchaus als kleiner Seitenhieb gedacht. Sollte der Herzog ruhig wissen, dass dieser integre Mann im Schloss ihres Vaters nach wie vor wohlgelitten war.

KAPITEL 19
    10. Februar 1611, auf Schloss Mangfall-Pechstein
     
    DIE FREUDE DER Eltern und Geschwister, Tochter und »Bruder« (die Geschwister waren in den Rollentausch immer noch nicht eingeweiht) nach längerer Zeit wieder einmal zu sehen, war nicht ungetrübt. Selbstverständlich liebten Vater und Mutter die Heimgekehrte wie eh und je, aber bei ihrem jüngeren Bruder und vor allem bei der Schwester bemerkte Alberta starke Vorbehalte.
    Die

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