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Die Hexenadvokatin

Die Hexenadvokatin

Titel: Die Hexenadvokatin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karla Weigand
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einer riesigen Fußsohle glich - von den Münchnern »Teufelstritt« genannt.
    Auch der Graf stellte einen seiner Stiefel in die merkwürdige Vertiefung und nahm damit jene Position ein, von der aus man wahrhaftig glauben konnte, der Dom besitze keine Fenster, da die Säulen im Langhaus den Blick auf diese verstellten. Dann begab er sich ein Stück weiter ins Kirchenschiff hinein. Nur wenige Gläubige hielten sich in dem gewaltigen Gotteshaus auf.
    Die erste Frühmesse war vorüber und bis zum nächsten Gottesdienst dauerte es noch eine gute Stunde. Bis auf entferntes Gemurmel, das aus einem der Beichtstühle drang, war es totenstill in dem imposanten Raum mit seiner hoch aufragenden spitzbogigen Gewölbedecke mit den bunt verzierten Schlusssteinen.
    Durch die Fenster auf der Ostseite, in deren buntes Glas höchst filigran Bibelszenen eingearbeitet waren, drang das frühe Morgenlicht herein und warf farbige Reflexe auf den hellen Marmorboden. Wolfgang Friedrich kniff die Augen zusammen, um weit vorne auf dem Altar die wunderbare Marienstatue mit dem Kind zu erkennen.
    Maria, die Schutzfrau Bayerns, stand auf einer Mondsichel und trug eine Krone auf dem Haupt zum Zeichen ihrer Würde als königliche Herrin über alle Heiligen im Himmel und über alle Menschen im Land. Automatisch faltete der Graf, der seinen Hut unter den Arm geklemmt hatte, die Hände zum Gebet.
    »Maria, Muttergottes, gnadenreiche Himmelskönigin, hilf meinem armen Kind«, flehte er stumm. »Lass meine schuldlose Tochter nicht für das geradestehen, was wir, ihre Eltern, und unser Beichtvater an ihr verbrochen haben.«

    Ohne dass er es verhindern konnte, liefen dabei die Tränen über seine gefurchten Wangen.
    »Wir haben es doch nur gut gemeint.« Doch dann schüttelte er unwillkürlich den allmählich kahl werdenden Kopf - demnächst bräuchte er »bei Hofe« eine Perücke … »Nein, ich will wenigstens vor dir, du Gütige und Barmherzige, ehrlich sein und eingestehen, dass wir alle zuerst an uns und an den Vorteil unserer Familie gedacht haben.
    Das Schicksal Albertas war uns damals, nach dem Tod unseres Ältesten, ziemlich gleichgültig. Dass wir sie zu einem Leben im falschen Körper verurteilten und uns damit schwer an ihr versündigten, daran haben weder ich noch Pater Winfried einen Gedanken verschwendet. Und Eleonora haben wir dazu überredet, bei dem unseligen Betrug mitzumachen. Warum eigentlich?
    Ich habe doch einen weiteren Sohn, Friedrich August. Er hätte die Stelle seines toten Bruders einnehmen können. Meine Tochter, das arme Mädel, könnte längst Ehefrau und Mutter sein … War es nicht in Wahrheit so, dass der Pater und ich Angst hatten, mein jüngerer Sohn wäre nicht so intelligent und strebsam wie Alberta?
    Und jetzt? Täglich, ja stündlich besteht die Gefahr, dass der Betrug auffliegt. Mächtige Feinde formieren sich gegen meinen Sprössling. Würde Alberta durch einen Zufall schlimm verletzt oder müsste - was Gott verhüten möge - irgendwann ins Gefängnis, würde offenbar, dass sie die Frechheit besessen hat, sich als Mann auszugeben und dass sie Nutzen aus dieser Täuschung zog.
    Für die Kirche bedeutet das eine Anmaßung; sie untersagt und ahndet sie auf das Schärfste. Ja, man könnte meiner Tochter sogar vorwerfen, eine verbotene Leidenschaft für Frauen zu hegen und dies mit ihrer Maskerade vertuschen
zu wollen. Gütige Himmelskönigin, ich weiß nicht mehr weiter!«
    Der zutiefst erschütterte Graf zog ein Tuch aus der Tasche seines Überrocks und wischte sich die Tränenspuren aus dem Gesicht. Die Ursache seines Zusammenbruchs trat ihm mit aller Macht vor Augen: Der Besuch des steierischen Edelmanns, Albrecht von Hochfelln-Tausch, und seine Unterredung mit ihm.
    Ohne es mit Worten direkt auszusprechen, hatte ihm der Freiherr zu verstehen gegeben, dass er Bescheid wusste, wie es um das wahre Geschlecht »Ruperts« bestellt war. Dass er den »jungen Grafen« liebte, brachte er gleich zu Anfang deutlich zum Ausdruck - und im selben Atemzug machte er klar, dass er niemals sein eigenes Geschlecht bevorzugt habe und dies auch in Zukunft nicht tun werde.
    Auf die bange Frage Wolfgang Friedrichs, wie er das denn verstehen dürfe, versicherte Albrecht ihm glaubwürdig, dass er niemals etwas unternähme, was geeignet sei, der geliebten Person Schaden zuzufügen oder diese durch eine Enthüllung gar ernsthaft in Gefahr zu bringen.
    Auf weiteres Insistieren hin hatte der Besucher seiner Hoffnung Ausdruck verliehen, die

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