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Die Hexenadvokatin

Die Hexenadvokatin

Titel: Die Hexenadvokatin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karla Weigand
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schwarz. Alle Hexen beschreiben ihre Untaten und die Dämonen genauso, wie Jean Bodin sie in seinem Buch Daemonomania aufgeführt hat.
    Der Graf ließ die Doktorarbeit des jungen Fickler sinken.
    »Auf die Idee, dass die Richter den Frauen genau diese Deskriptionen in den Mund legen, beziehungsweise aus ihnen herausfoltern, kommt der Gute nicht! Wieder ein Unbedarfter, der an der fadenscheinigen Argumentation von Bodins ›Logik‹ keinen Anstoß nimmt«, murmelte er. »Was nur einmal mehr beweist, dass dieser französische Gelehrte an der Universität Ingolstadt als hochrangige Autorität in Bezug auf das crimen magiae gilt.«
    Albertas Vater musste sich regelrecht zwingen weiterzulesen. Es war in Johann Christoph Ficklers Erörterung des weiteren die Rede von Peter Binsfelds Werk De confessionibus maleficorum et sagarum (Über die Geständnisse der Zauberer und Hexen) . Dieser Binsfeld war kein Jurist, sondern Doktor der Theologie und Weihbischof von Trier.
    Es gebe unverständige Leute, schrieb Binsfeld, die Bodins Beweis von der Realität der Hexen entgegenhielten, die Übereinstimmung der Geständnisse sei leicht durch die Qualen der Folter zu erklären. Aber das sei absurd. Denn gerade die Tortur erweise ja die Wahrheit dieser Aussagen. Aus demselben Grunde wäre auch die Denunziation durch eine Geständige ein ausreichendes Indiz, eine derart Beschuldigte ihrerseits der »peinlichen Frage« zu unterwerfen.
    »In Dreiteufelsnamen! Das ist mir zu hoch. Da muss einer ja schon Gehirnkrämpfe haben, um diesen Blödsinn zu verstehen oder ihn gar zu glauben«, entfuhr es dem Grafen.
    Nun, er mochte diese Meinung getrost vertreten. Tatsache
war, dass Binsfelds Ansicht bei einem überwiegenden Teil der Gelehrten zum Standardwissen gehörte. Sein Buch, im Jahr 1589 auf Latein erschienen, war 1591 ins Deutsche übersetzt und von dem Münchner Buchdrucker Adam Berg veröffentlicht worden, worauf es in bayerischen Juristenkreisen so viel Anklang fand, dass Berg im darauffolgenden Jahr bereits eine zweite Auflage drucken musste.
    Ähnliche Verbreitung wurde auch dem Hexenwerk des Jesuiten Martin Del Rio zuteil, das im Frühling des Jahres 1600 ebenfalls in München erschienen war. Selbstverständlich war auch Del Rio nicht von der herrschenden Meinung abgerückt. Allerdings riet der Pater zur Vorsicht bei der Eröffnung von Hexereiverfahren.
    Eines jedenfalls wurde dem Grafen klar: All diesen Kapazitäten der Juristerei und Theologie war gemeinsam, dass ihre Lehren auf dem Hexenhammer aufbauten.
    Kein Wunder, dass der junge Fickler das unselige Gedankengut in seiner Arbeit zum Erwerb des Doktorgrades wiedergekäut hatte - es war ja allgemein anerkannt.
    Falls er es sich einfallen ließe, Alberta mithilfe Peter Fricks beim Herzog verdächtig zu machen - mittels der heimlich belauschten, kritischen Äußerungen über Hexen, Hexenprozesse, sowie die Haltung Maximilians zu diesen Dingen -, dann gelänge ihm das zweifellos.
    Herzog Maximilian war bekannt dafür, dass er Ohrenbläsern in aller Regel kritiklos Glauben schenkte. Er war nur zu gern bereit, noch kürzlich Bevorzugte fallenzulassen, wenn es jemand verstand, sein Misstrauen zu wecken.
    Dann verzichtete er im Allgemeinen sogar darauf, sich erst einmal zu erkundigen, ob die Vorwürfe überhaupt der Wahrheit entsprachen: Ihm genügte bereits der Verdacht. Aus diesem Grunde fanden schon zahlreiche Karrieren ihr abruptes
Ende - ohne dass die zu Unrecht Diffamierten die Möglichkeit besaßen, sich zu verteidigen.
    Der Graf - noch dazu ein Nichtjurist - sah keine Chance, sein armes Kind zu beschützen. Es war zudem traurig, dass so wenige zu bemerken schienen, auf welch schwankendem Boden die gesamte Argumentation der Hexenprozesse fußte. Zuhause in seiner für einen Laien gut bestückten Bibliothek hatte er eine Abschrift von einem gewissen Doktor Johannes Weyer, bezeichnenderweise kein Rechtsgelehrter, sondern ein Mediziner (nämlich der Leibarzt Herzog Wilhelms von Cleve), der bereits 1563 in seinem Buch De Praestigiis Daemonum (Von den Blendwerken des Teufels) geschrieben hatte:
     
    … wenn auch vom Teufel gesagt werde, er strecke die Hände aus und empfange den Handschlag der Hexe (als Zeichen des Vertragsabschlusses), wissen doch alle vernünftigen Leute, dass dies erstunken und erlogen sei. Denn wie könnte das möglich … sein, da Christus … ausdrücklich bezeugt, dass ein Geist weder Fleisch bei oder an sich habe.
     
    »Logisch, dass Fickler junior diese

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