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Die Hexenadvokatin

Die Hexenadvokatin

Titel: Die Hexenadvokatin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karla Weigand
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Wolfgang Friedrichs einzige Bedingung. Damit war Florian gerne einverstanden.

KAPITEL 31
    Immer noch 16. September 1611, in München
     
    ENDLICH WAR DIE Katze aus dem Sack! Der alte Graf zu Mangfall-Pechstein wusste jetzt definitiv, wem daran gelegen war, seine Tochter am Hof und beim Herzog in Misskredit zu bringen.
    Anfang August dieses Jahres hatte der alte Johann Baptist Fickler eine wahre Freudenbotschaft erfahren. Sie betraf zwar nicht ihn selbst - war er doch längst abgeschrieben -, aber einen seiner beiden Söhne. Sein Lieblingssohn, Johann Christoph, derzeit fürstlich-bayerischer Rat in Straubing, durfte im nächsten Jahr als herzoglicher Hofrat und Geheimer Sekretär in die Hauptstadt kommen.
    »Eine wunderbare und längst fällige Anerkennung der hohen Qualifikation meines Sohnes«, prahlte der alte Fickler,
dessen ausgemergelter Körper noch immer zäh am Leben festhielt.
    Natürlich hatte er beizeiten alles getan, was man für einen Sohn, den man protegieren will, tun kann. Natürlich ließ er ihn in Ingolstadt und Bologna Jura studieren, ehe er ihn zu einem Praktikum ans päpstliche Hofgericht in Rom schickte, damit ein ausgezeichneter Jurist aus ihm würde. Anschließend kehrte der Studiosus nach Ingolstadt zurück und promovierte zum Doktor beider Rechte.
    Der junge Mann galt - soweit Graf Wolfgang Friedrich es in der Kürze der Zeit in Erfahrung bringen konnte - als fleißig und unterwürfig, jedenfalls ganz anders geartet als sein Bruder Hans Georg, der zu seines Vaters Kummer nur das Kriegshandwerk im Kopf hatte.
    Und ausgerechnet dieser junge Mann schickte sich nun an, seine Alberta beim Herzog anzuschwärzen! Johann Christoph Fickler war haargenau der Typ des erfolgreichen Verwaltungsjuristen. Das war schon am Thema seiner Doktorarbeit zu erkennen, einer »Erörterung über die sogenannten Hexen und Unholde«.
    Der Graf hatte sich auf die Schnelle Einblick in diese Arbeit verschafft. Bereits beim Überfliegen des Textes - einer Kopie - war ihm aufgefallen, dass Fickler junior darin der Grundmaxime jedes Erfolgsjuristen gehuldigt hatte: »Halte dich ans Altbewährte!«
    Eigene Gedanken waren dabei nur hinderlich; Kritik an den anerkannten Autoritäten wurde als bedenklich angesehen - auf alle Fälle schädlich für die eigene Karriere. Anders ausgedrückt: Als Anfänger hinterfragte man besser gar nichts. Und sich einer »zu verwerfenden« Gegenmeinung anzuschließen, kam einem Selbstmord gleich im Hinblick auf eine anständige Existenz.

    »Ha! Habe ich es doch immer gewusst!«, entfuhr es dem Grafen, als er bei einer nachmittäglichen Tasse Tee die Abhandlung von Albertas Gegenspieler durchblätterte.
    Er knirschte mit den Zähnen. »Nur durch ein Heer feiger Karrierejuristen wie dieser Johann Christoph Fickler einer ist, können Meinungen - mögen sie noch so falsch sein - entstehen und sich am Leben erhalten«, murmelte er erbost vor sich hin. »Er betet offensichtlich einfach nach, was ihm sein Professor, dieser Andreas Fachinaeus, eingetrichtert hat. Und der käut seinerseits wieder, was die ›anerkannte Literatur und Lehre‹ verkündet. Wen wundert’s, dass für diese Art von Rechtsgelehrten dieser Mumpitz, genannt Hexerei, als Realität existiert?«
    Der Graf las weiter in der Arbeit des jungen Fickler und konnte sich einiger Kommentare nicht enthalten:
    »Ha! Er räumt zwar ein, dass einige nicht unmaßgebliche Leute behaupten, das Hexereiverbrechen sei nichts anderes als ein Wahn, der Pakt mit dem Satan und das Unzuchttreiben mit dem Teufel lediglich Fantasterei und Aberglauben.
    Man dürfe jedoch nicht diesen irrigen Stimmen folgen, sondern der Ansicht des Monsieur Jean Bodin, der die Existenz der Hexen bewiesen habe. Teufel noch mal! Diesen Beweis möchte ich aber sehen!« Der Graf regte sich schon wieder über die Maßen auf. Mit Ingrimm las er weiter.
    Die Aussagen unserer und der Hexen aus anderen Völkern stimmen überein. Nun sind die Geständigen meistenteils Leute ohne Verstand oder alte Weiber, die niemals Herodot oder Plutarch gelesen oder sich mit Hexen aus Italien oder Frankreich abgestimmt haben. Woher also die nahezu identische Übereinstimmung in allen Punkten?
    Der Graf schüttelte den Kopf über diese ihn schwachsinnig dünkende Art einer angeblich wissenschaftlichen Argumentation. Er setzte seine Lektüre fort.

    … ist es auch ungewöhnlich, dass diese Hexen gleichsam unisono behaupten, die bösen Geister in der Gestalt eines Mannes seien üblicherweise

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