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Die Hexengabe: Roman (German Edition)

Die Hexengabe: Roman (German Edition)

Titel: Die Hexengabe: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Beatrix Mannel
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Ende ein Licht aufschimmerte, war Rosa sehr froh, den kalten Stahl von Siranushs Dolch in ihrem Rücken zu spüren. Der Gang schien endlos. Sie hielt es nicht mehr aus und griff nach Nandis Sari.
    »Wenn du mir nicht augenblicklich sagst, was hier los ist, reiße ich dir den Rock herunter! Und du weißt, was das für Folgen haben wird.«
    Nandi hüstelte. »Gleich wir sehen.«
    Rosa fragte sich, was sie wohl sehen würden. Eine sterbenskranke Frau, die sich von ihnen Genesung erhoffte? Eine Geburt? Sie mussten dringend aus diesem Gebäude rauskommen und nach Dorothea und Kaspar suchen.
    Vor dem Raum stand ein weiterer schwarzer Mann, noch größer als die von der Eskorte. Rosa erkannte ihn als denjenigen wieder, der am Morgen zu ihnen gekommen war. Beshir, hatte Nandi gesagt, war sein Name.
    Er verbeugte sich tief vor Amatulkarim, danach ebenso ehrfürchtig vor Usha und ihr. Dann öffnete er die Tür und ließ sie ein.
    Der Raum war nach dem dunklen Flur so hell von Fackeln erleuchtet, dass Rosa wie geblendet war und blinzeln musste. Immerhin sah sie, wie Amatulkarim zu einem etwa siebenjährigen Jungen stürzte, dessen Körper reichlich Fett angesetzt hatte. Der Junge schien nicht ganz bei sich zu sein und schwitzte stark. Er wurde von vier Frauen an seinen Gliedmaßen festgehalten.
    Amatulkarim nahm dem Jungen den Turban ab und fächelte ihm damit Luft zu.
    Er hatte rotblonde Haare, Haare wie Karotten.
    Rosa erstarrte. Haare wie die ihrer Schwester! Sie versuchte, sich zu nähern, um einen Blick auf seine Augenfarbe zu erhaschen, aber der Junge blinzelte zu stark.
    Plötzlich nahm sie eine Bewegung aus dem Augenwinkel wahr. An der Säule im Hintergrund stand eine vollständig verhüllte Frau, die sofort starr wurde, als Rosa sie anblickte.
    Was, wenn das Kaspar wäre und diese Frau Dorothea?
    Sie musste sich Gewissheit verschaffen und vor allem herausfinden, warum das Kind dort lag.
    »Nandi, sag mir jetzt auf der Stelle, was wir hier machen.«
    »Usha kastriert dieses Kind, und du gesund ihn machen.«
    Kastrieren, das kannte Rosa nur von Tieren. Sie griff sich an den Hals. Es würgte sie. Das musste sie falsch verstanden haben. Aber dann fiel ihr wieder ein, wie sich Nandi geziert hatte, ihr zu antworten, und Ushas merkwürdiges Grinsen. Die beiden hatten genau gewusst, was hier passieren sollte.
    Ganz egal, wer dieses Kind auch war, sie musste es davor bewahren, so misshandelt zu werden. Sie trat unaufgefordert zu dem Jungen, ignorierte das atemlose Entsetzen, das ihre Handlung auszulösen schien.
    »Kaspar«, flüsterte sie, »Kaspar, erzähl mir was.« Sie legte die Hand auf seine Stirn, als wollte sie die Temperatur prüfen, dann spreizte sie ihren sechsten Finger ab und fuhr damit über die Stirn des Jungen. Plötzlich war Rosa sicher, dass man ihm Drogen gegeben hatte.
    Rosa warf den Frauen, die den Jungen festhielten, böse Blicke zu.
    »Nandi, sag ihnen, dass ich ihn nicht untersuchen kann, wenn er festgehalten wird.«
    Nandi zögerte, und als er endlich redete, klang seine Stimme merkwürdig hohl. Immerhin wurde das Kind freigegeben.
    Rosa musste den Jungen zum Sprechen bringen, aber wie konnte sie ihn wecken, ohne ihm wehzutun?
    Dann erinnerte sie sich daran, dass Dorothea sehr kitzlig gewesen war, das brachte sie auf eine Idee. Sie begann, den einzigen lateinischen Satz, den sie kannte und der ihr schon die Überfahrt auf dem Schiff gesichert hatte, laut und monoton vor sich hin zu singen.
    »Quid ei potest videri magnum in rebus humanis cui aeternitas omnis totiusque mundi nota sit magnitudo.«
    Dazu ließ sie ihre Hände dramatisch über den Bauch des Kindes kreisen, vergewisserte sich mit einem Seitenblick, dass die anderen gebührend beeindruckt waren, schlug das orange Seidenhemd des Jungen zurück und steckte ihren sechsten Finger in dessen Nabel und kitzelte ihn.
    Tatsächlich! Er begann zu lachen und schlug die Augen auf. Rosa erkannte, wie stark vergrößert seine Pupillen waren. »Mama, was machst du da?«, glaubte Rosa zu verstehen. Sie kitzelte ihn heftiger. Amatulkarim schüttelte den Kopf, Beshir baute sich drohend neben ihr auf, aber Rosa ließ sich nicht einschüchtern. Nicht jetzt.
    Da sagte Usha etwas mit gebieterischer Stimme, was Amatulkarim dazu brachte, stehen zu bleiben und Beshir einen Befehl zu geben. Er trat wieder etwas zurück.
    Der Junge richtete sich auf und blinzelte. »Wer bist du?«, fragte er, und jetzt war Rosa ganz sicher: Er sprach Deutsch.
    »Und du, wer bist du?«,

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