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Die Hexengabe: Roman (German Edition)

Die Hexengabe: Roman (German Edition)

Titel: Die Hexengabe: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Beatrix Mannel
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»Ich höre, du willst die Heilerinnen hier haben. Das werde ich nicht zulassen.«
    »Ich habe dafür bezahlt.«
    »Nicht genug.«
    »Wie meinst du das?«
    »Du hast den Tod des einzigen Menschen auf dem Gewissen, der mich und den ich geliebt habe.«
    Mit einem Schlag wurde mir klar, dass all diese Ahnungen, die ich seit unserer Flucht gehabt hatte, wahr sein mussten. Er hatte die Mahaldar geliebt, Aurangzebs Haremswächterin. Sie, die uns den Spaziergang am Fluss Narmada erlaubt hatte und von der ich angenommen hatte, sie wollte mir eine
    Freude machen. Dabei hatte sie ihm diesen Ausflug gegönnt. Wo war nur mein Verstand gewesen?
    »Das tut mir leid, auch wenn ich das niemals gewollt habe«, stammelte ich.
    »Es ist nunmehr gleichgültig, denn der Schmerz hat mein Herz aufgefressen. Auch wenn sie dir nur ein verächtliches Schnauben wert war, für mich war sie alles, was ich hatte. Auch wir sind Menschen, und auch wir können lieben.« Seine Augen schimmerten feucht im Kerzenlicht, doch als ob das schon zu viel Gefühl gewesen wäre, drückte er seine breiten Schultern durch und wischte mit der unbewaffneten Hand über die Augen.
    »Heute wirst du dafür bezahlen. Denn heute stirbt jemand, den du liebst. Heute ist … Neumond, es ist so weit.«
    Er grinste breit. »Khultum Kaspari ist fällig. Oder was glaubst du, warum die Heilerinnen hier sind?«
    Die Amputation. Von wegen Neumond! Dieses Datum hatten sie mir nur genannt, um mich in Sicherheit zu wiegen.
    Wie hatte Amatulkarim es geschafft, mir den wahren Grund dieses Festes zu verschweigen? Wie lächerlich ich doch war. Ich hatte geglaubt, sie zu dieser Einladung bewogen zu haben, dabei war es genau anders herum.
    Ich war sicher gewesen, noch drei Tage Zeit zu haben bis zum Neumond. Aber sie hatten mich von Anfang an wegen des Datums belogen. Warum hatte ich mich bloß nicht gefragt, was das Festgewand von Kaspar zu bedeuten hatte?
    »Aber warum?«
    Ich hatte gesehen, wie Beshir dem Jungen zugelächelt hatte, ja, Kaspar hatte es sogar einige Male geschafft, Beshir zum Lachen zu bringen.
    »Weil du ihn liebst. Ich habe lange auf meine Rache gewartet. Die da«, er deutete auf Dorothea, als wäre sie ein Haufen Abfall, »wird so oder so bald sterben. Er wird vielleicht nicht sterben, aber seine Unschuld wird er verlieren – so wie ich meine einzige Liebe verloren habe.«
    »Aber es war doch nicht meine Schuld, dass wir die Mahaldar zurücklassen mussten.«
    »Sie wurde trotz der Schläge, die du ihr versetzt hast, hingerichtet, weil sie uns dem Feind überließ. Aurangzeb war außer sich vor Wut nach unserer Flucht, das habe ich auf dem Markt erfahren. Er hat sie den Elefanten zum Tottrampeln vorgeworfen.« Beshir schnaufte verächtlich. »Als Aurangzeb dich vor die Wahl stellte, hättest du tapfer sein und deinen eigenen Tod wählen müssen. So aber hast du aus Feigheit unser aller Tod entschieden.«
    Tod! Das brachte mich zurück zu Kaspar. Wo war er? Wie konnte ich seine Kastration noch verhindern?
    Dorothea stöhnte so schwer, dass ich unwillkürlich zusammenzuckte. Wie viel von unserer Rede hatte sie verstanden?
    »Kaspar!«, keuchte sie. Ich musste zu ihr, wandte mich ab von Beshir und kauerte mich neben sie. »Alles wird gut, alles, alles wird wieder gut. Du musst nur ein bisschen schlafen.«
    Meine Gedanken rasten. Du musst klar denken, Arevhat, du musst ganz ruhig bleiben. Nicht jede Wolke bringt Regen.
    Ein Geräusch ließ mich wieder auffahren.
    Beshir stand direkt hinter mir und packte meinen Arm.
    »Ich möchte, dass du dabei bist, ich möchte, dass du siehst, wie aus dem Knaben ein Eunuch wird.«
    Ich riss meinen Arm los und sah zwischen Dorothea und ihm hin und her. Was konnte ich tun? Sollte ich mitgehen und versuchen, Kaspar irgendwie zu retten? Würde ich das allein schaffen? Oder würde ich versagen, zurückkommen und die einzige Freundin, die ich je hatte, tot vorfinden? Ganz bestimmt würde sie wollen, dass ich Kaspar vor diesem Schicksal bewahre. Aber wie? Ich musste Zeit gewinnen.
    »Niemals! Ich kann Dorothea jetzt nicht allein lassen.«
    Beshir zog einen Dolch aus seinem Gürtel. »Dann wird sie eben gleich sterben.«
    »Nein!« Ich stellte mich vor Dorothea.
    »Dann folge mir und zwar sofort. Es ist alles vorbereitet, wir haben nur auf die beiden Heilerinnen gewartet.«
    Während ich ihm zu dem Raum folgte, wo die Kastration stattfinden sollte, schwirrten Gedanken durch meinen Kopf wie aufgescheuchte Wespen. Was war ich nur für eine

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