Die Hexengabe: Roman (German Edition)
mit einem kräftigen Schwertstoß in die Luft. Er zeigte auf zwei schwarze Pferde, die mit schlichten Sätteln hinter ihm bereitstanden.
Diesmal würde ich niemandes Leben zu retten versuchen, sondern nur noch an mein eigenes denken. Ich zögerte keine Sekunde und schritt auf das Pferd zu.
Draußen war überall qualmender Rauch, der mich sofort zum Husten brachte.
»Los, los!«, befahl Khan Bahadur Ammar. »Eunuch, was ist mit dir?«
Beshir fiel wieder vor der Mahaldar auf die Knie. »Geh du, ich bleibe hier.«
Die Mahaldar ging auf ihn zu, zerrte ihn hoch. »Du musst gehen, sonst bist du tot. Und das wäre auch mein Tod. Mir wird nichts geschehen.« Sie zögerte, wandte sich dann an den Fürsten. »Nicht, wenn Ihr mir einen Schlag mit Eurem Säbel versetzt. Bitte verletzt mich so, dass ich das Bewusstsein verliere.«
Der Fremde schüttelte den Kopf. »Beeilt euch, wir haben nicht viel Zeit, das Feuer wird bald gelöscht sein, und dann wird man unsere Flucht bemerken. Und Aurangzeb wird ein ganzes Heer hinter uns herschicken.«
»Dann werde ich es tun.« Das war ich der Mahaldar schuldig. Der Gedanke, nach all diesen Jahren endlich aus Aurangzebs Harem zu entkommen, war so ungeheuerlich, dass ich ihn noch nicht fassen konnte – nur eins wusste ich, dafür würde ich alles tun.
Ich ergriff den gewaltigen silbernen Säbel von Khan Bahadur Ammar, dann schlug ich der Mahaldar zuerst zögerlich, dann heftiger auf die Schulter, zerschnitt ihren Schleier, verletzte ihre Beine und ganz zum Schluss ihren Kopf. Ich hoffte, dass sie nicht für immer entstellt wäre und dass diese Wunden zu ihrem Schutz genügen würden.
»Es tut mir leid«, stammelte ich, »es tut mir so leid.«
Beshir, der mit Entsetzen beobachtet hatte, wie ich die Mahaldar angriff, bückte sich zu ihr, flüsterte ihr etwas ins Ohr, dann wandte er sich mir zu, in seinen Augen war blanker Hass.
Sie wimmerte etwas, das ich nicht verstehen konnte. Ich wollte mich auch zu ihr hinunterbeugen, da packte mich der Fürst und schleifte mich zum Pferd. »Los jetzt, Eunuch, sonst reiten wir ohne dich!«
Beshir konnte sich nicht von der Mahaldar abwenden. Er sah zu ihr, dann zu mir, dem Pferd und wieder zu der Mahaldar.
»Geh«, stöhnte sie, »jetzt geh endlich, du abessinischer Dummkopf, du verdammter Nichtsnutz, du elende Kreatur!«
Dann brach die Mahaldar zusammen und verlor das Bewusstsein.
Beshir verneigte sich vor ihr, sagte etwas in seiner Heimatsprache, dann sprang er leichtfüßig zu dem Pferd und stieg auf. Er saß aufrecht im Sattel wie ein Fürst, als wäre er dort geboren.
»Schnell!«
Ich war schon oft geritten, wenn ich die Prinzessinnen zur Jagd begleitet hatte. Diese waren natürlich auf Elefanten unterwegs, wir andern Frauen manchmal auf Pferden, was viel angenehmer als die sonst üblichen Kamele war, denn sie rochen besser, und auf ihren Rücken wurde man nicht so stark hin und her geschaukelt.
Jetzt allerdings war es schwer, einfach davonzupreschen, denn die Dunkelheit war von schwarzem Rauch erfüllt, und die Zelte waren mit Keilen im Boden verspannt. Man musste sehr genau schauen, wo man hinritt.
Noch herrschte große Verwirrung, weil Bahadur Ammar an vielen Stellen Feuer gelegt hatte, und es grenzte an ein Wunder, dass in dieser trockenen Jahreszeit nicht schon alles lichterloh brannte.
Als wir das Lager hinter uns gelassen hatten, galoppierte der Fremde davon, so schnell, dass wir ihm kaum folgen konnten. Ich trat dem Pferd in die Flanken, um aufzuholen.
»Warum habt Ihr das getan?«, rief ich dem Fürsten zu. »Das wird Krieg geben. Niemand vergreift sich an Aurangzebs Harem, ganz egal wie unwichtig die betreffende Frau ist.«
Khan Bahadur Ammar lachte über das ganze Gesicht und trieb sein Pferd weiter an. Wir ritten den Fluss entlang, aber nach Osten.
»Es war deine Duduk, die mich auf die Idee gebracht hat.«
»Welche Idee?« Ich keuchte mehr, als ich sprach, der Schweiß lief mir in Strömen über den Körper. Ich fragte mich, wie lange die Pferde dieses Tempo durchhalten würden.
»Wir wollten ihn in einen Hinterhalt locken. Meine Aufgabe war es, einen Zwischenfall zu provozieren. Schneller! Wir müssen unbedingt noch vor dem Morgengrauen am Treffpunkt sein. Du warst großartig. Es hat mir gefallen, was du zu Aurangzeb gesagt hast: ›Wer die Wahrheit sagt, braucht ein Pferd zum Fliehen‹.« Er lachte schon wieder.
Meine Duduk hat ihn auf die Idee gebracht? Was sollte das denn heißen? Dieser Hinterhalt hatte
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