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Die Hexengabe: Roman (German Edition)

Die Hexengabe: Roman (German Edition)

Titel: Die Hexengabe: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Beatrix Mannel
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nicht das Geringste mit mir oder meiner Duduk zu tun.
    »Aber er hat gesagt, Ihr seid sein Schwager.«
    »Dieser Mann hat seine drei Brüder getötet, meine erste Frau Amatulkarim hat einen davon sehr geliebt, sie ist voller Hass, und wir alle im Dekkan wünschen uns nichts mehr als seinen Tod. Freiheit von diesem erpresserischen Räuber!«
    »Dann lasst Ihr uns frei?« Frei sein … eine unfassbare Vorstellung! Eine gewaltige Woge der Freude brandete durch meinen Körper. Niemandes Sklavin. Herrscherin über mich selbst.
    Khan Bahadur Ammar lachte noch mehr. »Keinesfalls. Eine wie du fehlt mir noch. Mein Harem kann sich der Tatsache rühmen, dass ich eine Frau oder Sklavin aus fast jeder Region der Erde besitze. Ihr seid die Perlen in meiner Krone, und ich liebe die Abwechslung. Du wirst für mich auf der Duduk spielen, und wenn wir uns lieben, wie es der Prophet vorgesehen hat, dann wirst du mich immer an diesen Triumph über Aurangzeb erinnern.«
    »Und was ist mit Beshir?«
    »Er hat sich als unfähig erwiesen und wird dafür bezahlen.«
    »Warum habt Ihr ihn dann mitgenommen?«
    »Für den Harem; meine Frauen lieben es, schöne Eunuchen zu quälen.«
    Mein Befreier war also auch nur ein hinterhältiger Mann, oder, wie meine Mutter gesagt hätte: ›Dem Wolf entronnen, bin ich dem Bären in die Klauen geraten‹.
    Hinter uns lag Aurangzebs Heer, vor mir das der Aufständischen … Welche Alternative hatte ich? Ich konnte mit dem Pferd im Galopp auf die Flusskante zureiten und mich in die Tiefe stürzen, in diesen wunderschönen Fluss Narmada, eins werden mit dem Wasser und alles hinter mir lassen. Aber machte der Tod wirklich frei? War er nicht einfach nur das Ende von allem?
    Noch während ich diesen sinnlosen Gedanken nachhing, verließen wir das Ufer des Flusses und preschten ins Landesinnere. Die Landschaft veränderte sich, es wurde grüner, Bäume säumten unseren Weg. Der Duft von reifen Mangos und Jasmin stieg mir in die Nase.
    Nein! Ich würde zur Favoritin von Khan Bahadur Ammar Karim aufsteigen, ihn mit meiner Duduk behexen, noch einen Sohn gebären und die Macht an mich reißen … wenn wir denn jemals lebend dort ankamen. Aurangzebs Heer war stark, er hatte bisher noch jeden Aufstand niedergeschlagen. Und ich bildete mir ein, schon das Getrappel von Pferden hinter uns zu hören.

11. Kapitel
     
    R osa fühlte sich elend. Ihre Haut war trocken wie Pergament, ihr Haar strohig und ihr Körper nur mehr ein müder Haufen Knochen. Sie hockte wie jeden Tag in den letzten vier Wochen vorne neben dem Kutscher auf dem Karren und hoffte, dass sie bald an ihrem heutigen Lagerplatz hinter dem Brenner ankämen.
    Sie waren von Nürnberg nach Augsburg, von dort über Landsberg, Mittenwald und Scharnitz nach Innsbruck gereist und hatten gerade den Brenner überquert. Am Brenner hatten sie in dem elenden Gasthaus an der Zollstation nur kurz haltgemacht, weil Baldessarini fand, sie hätten schon genug Zeit vertrödelt.
    Rosa war froh darüber, denn die steinernen Riesen rechts und links machten ihr Angst. Das Atmen fiel ihr schwer, gerade so, als würden die Berge mit ihrem Gewicht direkt auf ihre Brust drücken. Je eher sie dieses karge Gebirge hinter sich ließen, desto besser. Es war ihr vollkommen unverständlich, wie Menschen es überhaupt geschafft hatten, sich hier anzusiedeln, denn permanent krachten Gesteinsbrocken herab, so als wollten die Geister der Berge sie dafür bestrafen und wieder vertreiben.
    Sie sehnte sich, wie so oft in den letzten vier Wochen, zurück nach Hause. Nach einem freundlichen Wort von Toni, nach dem Gekichere ihrer Schwestern, ja sogar nach dem üblen Geschwätz der Mägde auf dem Markt und einem strengen Blick ihrer Mutter. Wenn die Sonne Stunde um Stunde auf sie niederbrannte und die Pferde auf den ausgetrockneten Wegen dermaßen viel Staub aufwirbelten, dass sie kaum etwas sehen, geschweige denn atmen konnte, dann hätte sie sich am liebsten irgendwo verkrochen und ihre Augen geschlossen.
    Dabei hatte sie zuerst jeden Baum, jeden Fels, jeden Hügel, jede Burg und jede Stadt mit Neugier bestaunt. Aber nach zehn Tagen war ihr all das gleichgültig, sie interessierte nur noch, ob die Fahrt durch einen kühlen Wald ging oder über staubige Felder. Ob der Weg viele Schlaglöcher hatte, die mit den mitgeführten Reisigbündeln aufgefüllt werden mussten, denn dann war es ihre Aufgabe, abzusteigen und dem Kutscher dabei zu helfen. Und je mehr Löcher, desto länger brauchten sie, dabei

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