Die Hexengraefin
waren sie hinter ihm her – und nicht nur die Dienstmägde und Handwerkerfrauen, denen er die Beichte abnahm, nein, vor allem die Damen von Stand waren es, die sich ihm an den Hals warfen, ihn in ihre Häuser und Schlösser einluden und ihm nicht bloß schöne Augen machten.
»Wenn mein geistlicher Herr alle Angebote der Damen, die ihn in ihr Bett einladen, annähme, käme er zu nichts anderem mehr«, pflegte stolz sein Diener zu sagen. Zweifellos profitierte auch er von der Beliebtheit des Pfarrers – fielen doch stets auch »Brosamen der tätigen Nächstenliebe« für ihn selbst dabei ab.
Der Abbé war ein sinnenfroher Mensch und der körperlichen Liebe durchaus nicht abhold. Die Frauen drängten sich in der Kathedrale bei seinen Predigten, sie hingen förmlich an seinen Lippen. Alles was er sagte, bedeutete seiner weiblichen Zuhörerschaft mehr als das Wort des Evangeliums – vor allem wenn dieser schöne Priester die Sünde der Unkeuschheit gleichermaßen abschreckend wie verlockend zu beschreiben wusste.
Die ganze Gegend sprach von Canforts galanten Affären. Man erzählte sich, dieser Bonvivant im Priesterrock hätte es verstanden, die Töchter der angesehenen Familien der Stadt nicht nur mit seinem geistlichen Rat, sondern zugleich mit durchaus weltlicher Liebe zu beglücken.
Und nicht allein die Töchter, auch die Mütter wüssten seine körperlichen Vorzüge in Verbindung mit einer bemerkenswerten Ausdauer zu schätzen …
Man munkelte, er sei der Vater des unehelichen Kindes der Tochter eines Richters und habe die Tochter eines königlichen Rates geschwängert. Einer anderen jungen Dame von Adel sollte er sogar die Heirat in Aussicht gestellt haben.
Außerdem hatte Canfort ein sehr kühnes Traktat verfasst, das die »Leiden, verursacht durch den Zölibat« zum Thema hatte. Darin hatte er versucht, die Undurchführbarkeit der Ehelosigkeit und vor allem der Enthaltsamkeit der katholischen Priester zu begründen. Ungesund für den Körper und ruinös für die geistige Gesundheit sei die auf Dauer erzwungene Keuschheit, behauptete er.
Dass ihn sein Bischof nicht gerade liebte, scherte ihn nicht. Abbé Simon Canfort war ohne Zweifel in Frankreich zurzeit der Geistliche mit dem größten Bekanntheitsgrad; dass er dabei eine höchst umstrittene Persönlichkeit war, tat seiner Beliebtheit bei der holden Weiblichkeit keinerlei Abbruch.
Die Frauen verehrten ihn wie den Erzengel Michael und bekamen glänzende Augen, wenn er sich auf der Kanzel zeigte.
Und nicht nur das. Wenn man seinem Diener Glauben schenken durfte, hatte ihm eine reiche Verehrerin nach einer seiner fulminanten Predigten ein sehr pikantes Geschenk gemacht: »Mein Herr, der Abbé, hat aus einem in rote Seide eingewickelten Päckchen ein feuchtes, stark duftendes Hemdchen einer jungen Dame ausgepackt. Absenderin war die Comtesse de XY.«
Den Namen hatte der Bursche aus »Diskretionsgründen« nicht verraten wollen – weil sowieso jeder wusste, wer gemeint war: Die Comtesse de Broumenteuil war schließlich in der Kathedrale während einer Predigt Canforts in regelrechte Verzückung geraten.
So sehr die Frauen ihn auch schätzten, so erbost waren eifersüchtige Ehemänner und Verlobte. Sie argwöhnten, vom Pfarrer gehörnt zu werden. Besorgte Väter hingegen hegten verständlicherweise die Befürchtung, durch den potenten Geistlichen vorzeitig zu Großvätern gemacht zu werden.
Franzosen sehen normalerweise über gelegentliche Fehltritte ihrer Geistlichen großzügig hinweg, denn: »Sie sind auch bloß Männer, deren Schwengel hin und wieder etwas zum Stoßen haben müssen«, meinten sogar die größten Betschwestern. Deshalb waren die Leute bereit, einem attraktiven Mann wie Canfort einige Amouren nachzusehen. Doch der Abbé trieb es zu bunt. Selbst die großzügigsten Bürger Auxerres fanden seine Umtriebe mittlerweile skandalös.
Und da auf einmal erreichte den umstrittenen Pfarrer ein phantastisches Angebot: Die Äbtissin, Madame Angélique des Anges, bot ausgerechnet ihm die von allen Priestern heiß begehrte Stelle eines Beichtvaters in ihrem Kloster an.
Die Neuigkeit war in Auxerre und Umgebung wie eine Bombe eingeschlagen. Was hatte die fromme Dame dazu veranlasst, mit ihrer Bitte ausgerechnet an Canfort heranzutreten? Es wurde eifrig spekuliert.
Wollte sie nur die Widerstandskraft ihrer durchweg noch jungen und, mit wenigen Ausnahmen, recht attraktiven Nonnen erproben? Wollte sie prüfen, wie es um die gelobte Keuschheit ihrer
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