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Die Hexengraefin

Titel: Die Hexengraefin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karla Weigand
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wurde, wird niemanden froh machen: Es ist ausgerechnet der bisherige Henkersknecht Fridolin Ganzer. Auch von ihm ist nichts anderes zu erwarten. Er wird nicht nur seine Pflicht tun, sondern sich darüber hinaus zu gewalttätigen Übergriffen hinreißen lassen.«
    »Derjenige, der die Untaten des Scheible gerächt hat, wird auch einen Weg finden, um einst die Sünden eines Ganzer zu ahnden, Madame«, meinte Anne kühl.

KAPITEL 59
    TROTZ DER ÜBERSCHWÄNGLICHEN AUFNAHME im Kloster, die der Comtesse Adelaide de Bréteuil zuteil wurde, fühlte sich die junge Dame dort nicht so recht wohl.
    Irgendetwas störte sie, wenn sie auch nicht hätte sagen können, was. Es lag im Wesen der schönen Äbtissin etwas merkwürdig Überspanntes, ja, eine beinahe krankhaft anmutende, hysterische Nervosität, wie sie nicht selten bei in erzwungener Keuschheit lebenden Frauen zu finden ist.
    Bei einer abendlichen Diskussion im Palast des Bischofs hatte sie einige der Herren mit dem jüdischen Medicus darüber sprechen gehört …
    Adelaide ahnte nichts von der bitteren Abfuhr, welche der Mutter Oberin durch den begehrten Abbé Canfort bereitet worden war. Und sie wusste nichts von dem Hass, der sich wie ein gefräßiger Wurm in das Herz der verschmähten Nonne gefressen hatte.
    Es war nicht unüblich, dass Beichtväter in Nonnenklöstern mit den jüngeren und hübscheren Klosterfrauen ein Verhältnis unterhielten. Auch Äbtissinnen hatten sich plötzlich in der Situation befunden, unerwünschten Mutterfreuden entgegenzusehen …
    Und da hatte es dieser Abkömmling einer schlichten Kaufmannsfamilie, ohne jedes Adelsprädikat, gewagt, ihr Angebot zurückzuweisen!
    Das alles wusste Adelaide noch nicht. Allerdings war ihren in Pflanzenkunde geschulten Augen nicht verborgen geblieben, dass zu den Nutzpflanzen im Klostergarten eine Menge an weißem Diptam gehörte und in einer verlassenen Ecke des Blumengartens ein Sadebaum seine Zweige in den spätherbstlichen Himmel reckte.
    »Ei, ei«, dachte die Comtesse, »ein Schelm, der Böses dabei denkt, aber seltsam dünkt es mich doch.«
    Oft hatte sie sich mit Hélène über Pflanzen und Kräuter unterhalten, welche Frauen benutzten, um eine ungewollte Schwangerschaft zu beenden. Aber in einem Kloster?
    Andererseits: Auch Nonnen waren Weiber und hatten gegen natürliche Triebe anzukämpfen und hin und wieder unterlagen sie ihnen – trotz ihres Gelübdes der immerwährenden Keuschheit.
    Und Adelaide wäre die Letzte gewesen, die sie darum gescholten hätte. Sie selbst hatte seinerzeit – nicht aus Triebhaftigkeit, sondern eher aus kindischer Neugierde und Dummheit – ihre Unschuld einem Mann geopfert, der es nicht wert gewesen war. Zum Glück hatte ihre »Sünde« keine Folgen gehabt.
    Im Kloster herrschte eine angespannte Atmosphäre, denn die Nonnen lebten gleichsam unter einer Dunstglocke von mühsam unterdrückten Begierden, immer drängenderem Verlangen – und schlechtem Gewissen. Die aufgezwungene Enthaltsamkeit machte dabei allem Anschein nach der Äbtissin am meisten zu schaffen.
    Kein Wunder. Sie war enttäuscht; ihre Erwartungen in Bezug auf ein erfüllendes Liebesverhältnis mit dem schönen Abbé hatten sich zerschlagen, und woher sollte sie jetzt einen geeigneten Liebhaber nehmen?
    Natürlich gab es Pferdeknechte, Helfer in der Landwirtschaft und beim Weinbau sowie Viehhirten und hin und wieder fahrende Händler, aber das waren »Notbehelfe«, wenn die Nonnen es gar nicht mehr aushielten.
    Normalerweise hielten die frommen Frauen sich bei primitiven Kerlen zurück, doch leider übernachteten alleinreisende Edelleute nicht allzu oft im Gästehaus der Abtei.
    Es war auch immer sehr gefährlich, denn wie leicht hätte einer die Wahrheit ausplaudern können.
    Comtesse Adelaide schätzte gleichwohl die Gespräche mit der Äbtissin, war diese doch eine hochgebildete Dame aus adligem Haus, mit wachem Verstand und großem Wissen, vor allem, was die politische Lage Europas anbetraf.
    Von ihr erfuhr die deutsche Gräfin beispielsweise, dass in Kardinal Richelieus Auftrag Bernhard von Sachsen-Weimar ein Heer gegen die Kaiserlichen aufstellte.
    »Aber ich wette, dass trotzdem keine der beiden verfeindeten Seiten erfolgreich darin sein wird, den Krieg militärisch zu entscheiden«, vertraute die Oberin ihrem Gast an. »Die Kämpfe werden sich im nächsten Jahr nach Süddeutschland verlagern, und es wird eine Weile ein Hauen und Stechen, ein gegenseitiges Morden und Verwüsten geben, ehe beide

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