Die Hexengraefin
zweiten Brunnen graben.
Du siehst, sie rechnen jeden Augenblick mit dem Anmarsch von Gustav Adolfs Truppen. Während die meisten vor Angst zittern, gibt es aber auch welche, die die Ankunft des Ketzers begrüßen. Alle Protestanten zum einen und dann auch alle, die im Verdacht stehen, Hexen oder Zauberer zu sein, weil bekannt ist, dass der schwedische König keine Hexenprozesse in den von ihm eroberten Gebieten duldet.«
»Dann hat unser Helen eigentlich nur das Pech gehabt, dass die Schweden nicht eher in die Ortenau gekommen sind«, folgerte Anne scharfsinnig.
»Für Hélène mag das seine Richtigkeit haben, aber für uns andere, die wir gute Katholiken sein wollen, trifft das leider nicht zu. Aber du hast recht, Anne: Unser Helen hatte überhaupt großes Pech.
Mein Vater schreibt nämlich, dass jetzt eine großartige Streitschrift gegen die Verfolgung der Hexen und Folterung derselben mit dem Namen Cautio Criminalis erschienen ist, wenn auch anonym von einem unbekannten römischen Theologen verfasst.
Darin äußert der Autor seine rechtlichen Bedenken gegen jede Art von Hexenprozess. Vielleicht gelingt damit endlich ein Umdenken, und es hat bald mit dem unseligen Hexenbrennen und der unmenschlichen Tortur ein Ende.«
»Nur schade, dass unser Helen nichts mehr davon haben wird«, sagte die Zofe traurig.
»Noch kann – von ganz wenigen Ausnahmen abgesehen – jeder Mensch von einer Verfolgung betroffen sein. Seine Eminenz, der Bischof von Straßburg, hat mir von Hexenverfolgungen in Frankreich berichtet. Da berufen sich die Richter auf das Werk des berüchtigten Hexenrichters Jean Bodin, das unter dem Titel Dämonomania im Jahr 1581 in Paris erschienen ist. Darin lässt sich der Mann über die angebliche Teufelsverfallenheit der Hexen aus. Das Ganze ist um kein Haar besser als der abscheuliche Hexenhammer.
Vielen erscheine dieses Buch schon zu altmodisch, erzählte mein Verwandter in Straßburg, darum hat sich um 1589 ein Peter Binsfeld bemüht, ein Traktat vom Bekenntnis der Zauberer und Hexen herauszubringen, sozusagen ein neues Standardwerk zur Hexenverfolgung. Und exakt zehn Jahre später veröffentlichte der Jesuitenpater Martin Del Rio ein Werk, das er Untersuchungen über Zauberinnen nannte. Auch er verteidigte darin vehement den Hexenglauben.
Mein Vater schreibt, dass es bei all diesen prominenten Hexenjägern nicht verwunderlich ist, wenn ein Buch aus dem Jahr 1563 eines Arztes Johannes Weyer, mit dem Titel De praestigiis daemonum, worin dieser sich gegen den Hexenwahn ausspricht, so gut wie nichts bewirkte, auch wenn es seinerzeit allerhand Staub aufgewirbelt hat.«
»Dann wird es wohl noch eine Weile dauern mit dem Wahnsinn der Verfolgung unschuldiger Frauen, Madame«, sagte die Zofe und machte eine abschätzige Geste.
»Davon ist leider auszugehen. Aber trotzdem scheint Bewegung in die Sache zu kommen. Vergiss nicht, dass das Hexenmorden schon seit Jahrhunderten praktiziert wird, da kann man nicht erwarten, dass es so schnell aufhört.«
»Vor allem nicht, weil es einigen Leuten, wie etwa dem Obersten Richter Munzinger und dem Henker Scheible, großen Spaß macht, wehrlose Geschöpfe zu quälen.«
»Gut, dass du davon sprichst, Anne. Vom Scheible schreibt mein Vater nämlich auch etwas. Halt dich gut fest, Anne. Man hat ihn im Gemeindewald von Ortenberg gefunden, an einen dicken Eichenstamm genagelt, die Augen ausgestochen, mit aufgeschlitztem Bauch, kastriert und mit herausgerissenem Herzen. Über seinem Kopf war ein Brett mit der Aufschrift angebracht worden: Ich war ein Frauenschänder und gemeiner Mörder.
Von den Tätern fehlt jede Spur, und die kaiserlichen Untersuchungsbeamten wissen nicht, wo sie mit der Suche nach den Rächern anfangen sollen. Keiner der Ortenberger oder Reschenbacher oder der anderen Gemeinden macht den Mund auf. Dieser Henker hat sich einfach zu viele Feinde gemacht.«
»Mir tut er nicht leid«, sagte Anne resolut, obgleich ihr Schauer des Entsetzens über den Rücken liefen, als sie ihre Herrin von der Art und Weise seines Ablebens sprechen hörte. »Ob GOTT seiner Seele gnädig sein wird, wage ich zu bezweifeln. Eher wird das Schwein wohl in der Hölle schmoren, oder was glaubt Ihr, Madame?«
»Der Teufel soll ihn holen!«, sagte die Gräfin mit Nachdruck. »Alle Qualen der Hölle werden nicht imstande sein, alle jene Verbrechen zu sühnen, die dieser Unmensch auf sich geladen hat.
Doch die nächste Nachricht, wer nämlich zu seinem Nachfolger ernannt
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