Die Hexengraefin
Anne leise. »Auch bei uns stürzen sich die Zuschauer nach einer Hinrichtung auf irgendwelche Überreste des Opfers, weil das angeblich Glück bringen soll.«
Danach herrschte wieder lange Zeit Stille in der gräflichen Kutsche, ehe man haltmachte, um in einem gut beleumundeten Gasthof zu übernachten. Auf ein Abendessen hatte niemand mehr Appetit …
Auf Château Beauregard angekommen, waren die beiden Frauen am übernächsten Tag noch immer sehr einsilbig. Der Schock über das hautnah Erlebte saß noch zu tief, und selbst die Plaudertasche Anne fand nur mühsam Worte, um der daheim gebliebenen Hélène wenigstens in groben Zügen von dem Vorgefallenen zu berichten.
Sie waren nach eingehender Beratung zu dem Entschluss gekommen, ihr von der Hexenverbrennung zu erzählen.
Adelaide hatte erst gemeint, das sollten sie besser sein lassen, aber Bernard konnte sie vom Gegenteil überzeugen.
»Erfahren wird sie es nämlich – Dienstboten sind leider viel zu schwatzhaft. Selbst wenn ich ihnen ein striktes Schweigegelöbnis auferlegte, würde dennoch irgendwer damit herausplatzen. Besser, Eure Freundin erfährt es von Euch als durch das Gesinde.«
Erstaunlich gefasst hatte diese es aufgenommen. »Gut, dass ihr es mir erzählt habt. Ich weiß doch, dass so etwas laufend in ganz Europa geschieht. Und mich deshalb wie ein rohes Ei zu behandeln, weil ich selbst beinahe diesem gefährlichen Wahn zum Opfer gefallen wäre, das hielte ich für völlig falsch. Ich muss mich in dieser Welt, so wie sie ist, zurechtfinden. Aber ich danke Anne dafür, dass sie es mir erspart hat, dabei sein zu müssen. Ich glaube, das hätte ich nicht ertragen.«
Adelheid bewunderte im Stillen das Einfühlungsvermögen ihres Geliebten. Diese Seiten an ihm förderten ihre Zuneigung zu ihm noch mehr, und wieder einmal ertappte sie sich bei dem Gedanken, für immer bei ihm zu bleiben.
Aber genauso umgehend verwarf sie diese Überlegungen wieder, sobald sie an ihren kränklichen Vater Ferfried dachte.
KAPITEL 88
DIE BRIEFE VON PATER AMBROSIUS waren nicht dazu angetan, der Comtesse eine Rückkehr nach Ruhfeld nahezulegen.
Wie es schien, hatten sich die Schweden erst einmal zurückgezogen, dafür hatten nun wiederum die Kaiserlichen das Sagen.
Der Schwedenkönig schien von einer unheimlichen Unruhe befallen zu sein. Wie ein Irrender zog er seit zwei Jahren durch Deutschland. Von Danzig bis München war sein Weg verlaufen, und er hatte sowohl Pommern als auch Mecklenburg erobert. Doch nun war Albrecht von Wallenstein wieder da, und dem war es gelungen, den »Löwen aus Mitternacht« zum Rückzug nach Norden zu zwingen.
Ambrosius Feyerling hatte seine aktuellen Neuigkeiten aus einem Schreiben des guten Heinrich von Garsbach erfahren, der noch immer am herzoglich-kurfürstlichen Hof in München lebte, während sein hoher Herr sich bekanntlich beim Herannahen des Feindes nach Regensburg aus dem Staub gemacht hatte.
»Nunmehr dass der Schwedenkönig itzo nach Norden abzieht, wie es den Anscheyn hat, rechnet der Hof zu München mit der baldigen Rückkunft Unseres Hochedlen Hochfürstlichen Herrn Herzog Maximilian«, hatte sich der alte Herr ein wenig umständlich ausgedrückt.
Gustav Adolf hatte sich in Nürnberg mit seinem Kanzler Axel Oxenstierna getroffen und bestätigte diesen als seinen Stellvertreter in Süddeutschland. »Das Vertrauen, welches der schwedische Herrscher in seinen Kanzler hat, ist ein ganz außergewöhnliches«, hatte der Benediktiner hinzugefügt und zum Beweis dafür die Worte Gustav Adolfs angeführt, die bereits vor über zwanzig Jahren das Amt dieses ungewöhnlichen Kanzlers definiert hatten: »Da es unmöglich ist, seine Aufgaben in dieser Stellung genau zu umschreiben, überlassen Wir es seinem eigenen Urteil und Verstand, so vorzugehen, wie er es für richtig halten mag. Er soll GOTT und Uns und jedem guten Schweden in Verantwortung dienen.
Das ist der Beginn einer lebenslangen Freundschaft und eine der vorzüglichsten, politischen Partnerschaften in der Geschichte gewesen«, behauptete Vater Ambrosius.
»Da dem König bewusst ist, dass es zu einer großen Auseinandersetzung zwischen ihm und Wallenstein kommen wird, wenngleich er den Beginn vielleicht noch etwas hinauszögern könnte, gab Gustav Adolf seinem Kanzler auch genaue Instruktionen über die Erziehung seiner Tochter für den Fall seines Todes, solange die Prinzessin noch minderjährig ist«, hatte der Benediktiner in seinem Brief geschrieben und in
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