Die Hexengraefin
einer der Büttel hatte sie offenbar verstanden. Nach einem Blick auf den mitmarschierenden Priester nahm er der Frau die Kerze ab und drückte ihr stattdessen ein kleines, hölzernes Kreuz, welches der Geistliche aus der Tasche seiner Soutane gezogen hatte, in die Hand.
Die Volksmenge murrte unwillig, und als Maria Yolanda dieses Symbol des Christentums gar an ihre Lippen führte und inbrünstig küsste, wurde der zornige Protest der Menge unüberhörbar.
»Seht, was die schändliche Hexe tut!« – »Die Ketzerin wagt es, das heilige Kreuz zu entweihen.« – »Nehmt der Ungläubigen das Kreuz Christi weg«, ertönte es aus der Schar der Zuschauer. Ein paar schickten sich sogar an, auf die Unholdin zuzustürmen, um ihren unwürdigen Händen das Kruzifix zu entreißen.
Auf einen lässigen Wink des Kardinals baute sich aber blitzschnell eine Phalanx von Bewaffneten rund um die Verurteilte auf, und der Aufruhr hatte ein Ende, ehe er recht begonnen hatte.
»Hockt euch nieder, Gesindel!«, hörte Adelaide einen Hauptmann der Wachmannschaft schnarren, und brav kauerten sich wieder alle auf dem heißen, sandigen Boden nieder.
Ein alter Herr mit Perücke, schwarzem Talar und einem weißen Stab unter dem linken Arm – wie es schien, der Richter dieses elenden Verfahrens – verlas laut der um eine stolze Haltung Bemühten ihr Urteil, welches sie schon längst kannte.
Noch einmal, und jetzt zum letzten Mal, stellte der Herr im schwarzen Umhang die Frage an sie: »Gesteht Ihr, Angehörige des Stammes der Tziganes aus der Sippe der Manouches, genannt Yolanda« – den Namen Maria hatte man ihr als einer »Unwürdigen« aberkannt -, »den Ehrenwerten Monsieur Antoine de … sowie dessen Haushofmeister Pellegrin mit einem teuflischen Fluch belegt zu haben, dergestalt, dass beide Herren anschließend des Todes waren? Gesteht Ihr ferner, dass Ihr eine Hexe seid, die sich die Zuneigung des Ehrenwerten Monsieur de … nur mittels zauberischer Kräfte erworben hat? Und als jener Eure wahre Natur erkannt hatte und nichts mehr mit Euch zu schaffen haben wollte, da habt Ihr ihn verflucht und ihm die todbringende Krankheit angehext – gebt Ihr das endlich zu im Angesicht des Todes, welchen Ihr nunmehr erleiden werdet?«
Mit laut schallender und weit tragender Stimme hatte der Richter dies von einem Blatt verlesen. Das Folgende fügte er mit einer um vieles leiseren Stimme hinzu: »Seid Ihr aber, ausgestoßene Tochter des Volkes der Tziganes, geständig, könnte es möglich sein, dass man Euch die Gnade erweist, dass Euch der Henker vor dem Verbrennen das Genick bricht.«
Bei der Erwähnung ihres Volkes hatte das Mädchen sich rasch umgeblickt, aber keine der pittoresken Gestalten mit den dunklen Gesichtern, gekleidet in die bunten, meist zerlumpten Gewänder, hatte sich zu diesem Anlass eingefunden; ihr Stamm sowie ihre Sippe, die Manouches, hatten ihr Andenken in der Tat ausgelöscht …
»Ich schwöre bei GOTT und der allerheiligsten Jungfrau Maria, dass ich keine Hexe bin und daher auch keine teuflischen Flüche und keine Zaubersprüche gegen meinen guten und lieben Herrn und seinen ersten Diener ausgesprochen habe.
Ich liebe meinen guten Herrn noch immer und könnte ihm nie etwas Böses antun. Dass er tot ist, schmerzt meine Seele zutiefst. Mehr habe ich dazu nicht zu sagen«, gab die junge Frau halblaut zur Antwort.
»So sei es denn!«
Der Richter zerbrach den weißen Stab, warf angeekelt die Teile zu Boden und fügte ein lautes: »Henker, waltet Eures Amtes« hinzu.
Der Priester, der die Zigeunerin auf ihrem letzten Weg begleiten sollte, bekreuzigte sich hastig und blieb zurück, als ein Scherge des Nachrichters die Delinquentin grob am Arm packte und in Richtung des Scheiterhaufens zog, in dessen Mitte die Henkersknechte bereits die Pfähle aufgestellt hatten, an welche die unglücklichen Opfer mit derben Stricken gebunden würden.
Den Kater hatte ein Henkersknecht blitzschnell von der Schulter des Mädchens gerissen und ihn flink wie ein Paket verschnürt, ehe er das zornig fauchende Tier an den Pfahl band.
Sobald die Stricke verbrannt waren, fiel in aller Regel die bereits tote oder zumindest bewusstlose »Hexe« um, und ihr Leichnam verkohlte in der Glut des Holzhaufens vollständig …
KAPITEL 87
NACHDEM YOLANDA UND IHR ARMER KATER an den Pflöcken festgebunden worden waren und der Henker die Fackel an den Scheiterhaufen gehalten hatte, der alsbald infolge der völligen Windstille lichterloh mit kerzengerade
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