Die Hexengraefin
mir ein guter Freund ist, sondern auch meiner Schwester. Und was geschieht? Unser selbstloser Beschützer muss in den Krieg ziehen und sein Leben für den ungeliebten Ersten Minister Frankreichs wagen.«
»Na, na«, protestierte Helene, »du übertreibst aber maßlos. Das ist kein ›Krieg‹, wie du es auszudrücken beliebst, sondern lediglich ein kleines Scharmützel gegen völlig ungenügend ausgerüstete, halb verhungerte und im Kampf unerfahrene Männer, die reihenweise bei den Attacken der königlichen Soldaten fallen werden, sofern sie es nicht klugerweise vorziehen, rechtzeitig das Weite zu suchen. Es werden sich zwei vollkommen ungleiche Lager gegenüberstehen.«
»Das klingt ja gerade so, als hättest du Verständnis für diese aufrührerischen Wirrköpfe, Leni«, sagte die Gräfin verblüfft.
»Hunger tut weh, Frau Gräfin. Und nur weil ich das große Glück habe, trotz meiner niederen Herkunft die Gefährtin einer hochgeborenen Edeldame zu sein, habe ich keineswegs vergessen, in welchem Elend das sogenannte ›Volk‹ im Allgemeinen – in Deutschland genauso wie in Frankreich – zu vegetieren pflegt.«
Das sonst so sanfte Helen hatte diese Worte laut und deutlich ausgesprochen und die überraschte Adelaide war schmerzlich zusammengezuckt; vor allem die kalte Anrede hatte ihr wehgetan.
Schweigend hatte die Comtesse das Gemach verlassen und war in den weitläufigen Hof hinuntergestiegen, wo ihr Liebster sich eben anschickte, sich aufs Pferd zu schwingen, um zusammen mit einigen aufs Beste gerüsteten Freunden innerhalb kürzester Zeit reinen Tisch zu machen.
KAPITEL 89
DER TAG DER GROSSEN SCHLACHT schien unmittelbar bevorzustehen.
Hasso hatte seinen Vater wissen lassen, dass er nun, Anfang November 1632, mit dem Heer der Katholischen nach Norden ziehen werde, weil General Albrecht von Wallenstein in Sachsen die Entscheidung zwischen sich und dem schwedischen Monarchen suchen wolle.
»In den ersten Novembertagen ist Gustav Adolf nach Erfurt gereist, um seiner Gemahlin Lebewohl zu sagen«, berichtete er seinem Vater Ferfried. »Von dort aus hat sich der König zu seiner bereits wartenden Armee begeben.«
Endlich war es so weit.
Obwohl alle zitterten vor diesem Kampf, den man mit aller Erbitterung führen würde, war man doch insgeheim erleichtert, dass sich nun so etwas wie ein Ende dieses schrecklichen Krieges abzuzeichnen begann. Mochte er nun ausgehen, wie er wollte: In Deutschland würde er nur Besiegte hinterlassen. Jahrzehnte mochte es dauern, ehe wieder so etwas wie Normalität in deutschen Städten und auf dem genauso arg gebeutelten Land Einzug hielte. Mit am schlimmsten war der Aderlass an Menschenleben; mittlerweile waren bereits ganze Landstriche entvölkert.
Wer jetzt eine Beschreibung vom Äußeren des schwedischen Königs erhielt, hörte nichts mehr von einem »strahlend jungen, blonden, nordischen Kriegsgott«. Die Rede war nun von einem »Mann in mittleren Jahren, korpulent, ein wenig müde und erschöpft, voll düsterer Todesahnungen«.
Von seinem Feldkaplan Fabricius war später zu hören gewesen, der König habe sich vor »einem eifersüchtigen Gott« gefürchtet, der ihm seine Beliebtheit übel nehmen könnte …
In der Düsternis eines unfreundlichen Novembermorgens hatte die Schlacht bei einem Ort namens Lützen begonnen, einer Stadt südwestlich von Leipzig. Man schrieb den 16. November 1632.
Bereits um fünf Uhr morgens hatte Gustav Adolf die Führung übernommen. Das Kriegsglück schien ihm zunächst hold zu sein. Das sollte sich jedoch ändern, als sich dichter Nebel über das Schlachtfeld legte.
Von dem, was sich danach ereignete, gab es keinen einzigen Augenzeugenbericht, aber man nahm an, dass Gustav Adolf im allgemeinen Getümmel zwischen die feindliche Kavallerie geraten war.
Nicht nur der König, auch sein mächtiges Schlachtross wurde verwundet. Den Herrscher selbst hatte ein Schuss in den Rücken getroffen, sodass er vom Pferd fiel, das ihn ein Stück weit mitschleifte. Verzweifelt versuchte er daraufhin, sich aus den Steigbügeln zu befreien – was ihm auch gelang -, aber, noch am Boden liegend, traf ihn ein tödlicher Kopfschuss.
Wie ein Lauffeuer verbreitete sich die Nachricht von seinem Tod. Und damit schien die schwedische Niederlage besiegelt.
Aber die Gegenseite hatte sich zu früh gefreut. Bernhard von Sachsen-Weimar und die tapferen schwedischen Soldaten retteten den Sieg. Aufs Äußerste erbittert über den Fall ihres Königs, fochten
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