Die Hexengraefin
›Liebes Kind, Ihr müsst langsam lernen, Euch zu benehmen – sonst, ich schwör’s bei GOTT, werdet Ihr solche Prügel von unserem guten Fridolin beziehen, dass wir uns die Folter bei Euch sparen können. ‹
Und alle Herren haben darüber furchtbar gelacht – am meisten besagter Fridolin.«
»Du lieber Heiland! Das ist ja alles ganz schrecklich!«, rief Adelheid entsetzt aus.
»Wie ist es weitergegangen?«, wollte nach einer Weile ihr Bruder wissen.
»Der Munzinger hat mir gesagt, dass die Sofie Bleile und die Agnes Mürfelder gesehen haben, wie ich mit dem höllischen Ziegenbock geschlechtlichen Umgang gehabt habe. Und diese Todsünde wäre der Beweis, dass ich eine Hexe bin. Jede, die solches tut, sagt sich vom christlichen Glauben und der heiligen Kirche los.«
»Und was hast du darauf geantwortet?«, fragte Adelheid seltsam aufgeregt.
»Nichts habe ich gesagt, bloß den Kopf geschüttelt. Ich hatte Angst, dass der Fridolin wieder zuschlägt. Weil ich angeblich so verstockt war und nicht gestanden habe, hat man mich über eine Wendeltreppe in den Folterkeller des Martin Scheible geführt.
Der hat mich offensichtlich schon erwartet und mir seine herrlichen ›Instrumente der Wahrheitsfindung‹ – wie er sie genannt hat – genauestens vorgeführt. Ich war aber so durcheinander, dass ich gar nicht so genau darauf geachtet habe. Dazu gab er die nötigen Erklärungen über deren Wirkungsweise ab und meinte dann: ›Jeder war bisher von meinen Werkzeugen, von denen einige meine ureigenen Erfindungen sind, wie ich bescheiden anmerken möchte, sehr beeindruckt. Die Herren Richter ebenso wie der Vogt, der Geistliche und der Schreiber. Aber am meisten natürlich die Delinquenten!‹ Dann hat er gegrinst.«
»Hör gut zu, Leni«, sagte Adelheid fast feierlich und fragte dann: »Kannst du mir auf Ehre und Gewissen versichern, dass du noch Jungfrau bist?«
»Aber das weißt du doch, Heidi. Ich schwör’s bei meiner ewigen Seligkeit.«
Auch die Gefangene benutzte den Kosenamen aus ihren gemeinsamen Kindertagen.
»Ich glaube dir. Versuche unter allen Umständen, es auch zu bleiben. Falls einer der Wächter – ein Scherge des Henkers oder der Scheible selbst – Anstalten macht, dir Gewalt anzutun, wehr ihn ab, so gut es geht, Leni. Lüg den Kerlen meinetwegen vor, du hättest die Franzosenkrankheit – dann lassen sie dich bestimmt in Ruhe.«
»Woher kennt Ihr denn diese Krankheit, diese Strafe GOTTES für sündhaftes Treiben, Fräulein?«, erkundigte sich Ursula verblüfft.
»Weil ich meine Augen und vor allem meine Ohren aufsperre, wenn über Krankheiten gesprochen wird. Wie viele wissen, befassen das Helen und ich uns mit allen möglichen Leiden und den Möglichkeiten, sie zu heilen. Aber das ist jetzt nicht wichtig. Wichtig ist nur, dass du deine Unschuld nicht verlierst, Leni. Wenigstens nicht eher, bis ich dir einen Arzt und eine Hebamme ins Gefängnis geschickt habe, um sie bestätigen zu lassen, dass du noch unberührt bist.«
Georg, war kein Dummkopf, er hatte sofort begriffen.
»Aber natürlich! Mit einem solchen Gutachten hätten es die Hexenrichter schwer, meiner Schwester fleischlichen Umgang mit dem Teufel vorzuwerfen. Wie ein Kartenhaus müsste dann diese geradezu lächerliche Anklage in sich zusammenfallen.«
Helene Hagenbusch leuchtete diese Argumentation ebenfalls ein, und auch Ursula war fast überzeugt, obwohl sie noch Zweifel hegte, ob es wirklich so einfach sein würde, das Gericht von Helenes Unschuld zu überzeugen. Denn es war bisher so gut wie nie vorgekommen, dass eingekerkerte »Hexen« als schuldlos freigelassen wurden …
Adelheid gab ihrer Freundin den Inhalt des Korbs, und schweren Herzens, aber doch mit einem kleinen Funken Hoffnung verließen die drei schließlich den Hänsele-Turm – nicht ohne dass Adelheid dem Aufseher und seinem schmuddeligen Weib eine stattliche Summe Geld in die schmutzigen Hände gedrückt hatte.
Erst als sich die Gräfin mit ihren bewaffneten Begleitern wieder auf dem Rückweg befand, sagte sie: »In einem solchen Fall darf man nicht am falschen Fleck sparen. Diese Theresia und ihr scheeläugiger Gatte – ich glaube, sie hat ihn ›Ewald‹ genannt – werden sich jetzt bestimmt zurückhalten, wenn es darum gehen sollte, dem Helen etwas anzutun. Das Weib hat mir sogar ganz leise versprochen, demnächst die unsagbar verdreckte Streu aus dem Loch zu entfernen und durch frisches Stroh zu ersetzen. Das allein ist das Geld schon wert
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