Die Hexengraefin
gewesen.«
KAPITEL 18
LEICHTFÜSSIG, WIE ES SEINEM jugendlichen Lebensalter von gut dreiundzwanzig Jahren entsprach, sprang Hasso von Ruhfeld die steilen, hölzernen Stiegen zur Kammer seines Vaters im Gasthof Zum Goldenen Stern hinauf. Er wäre froh gewesen, das Gespräch bereits hinter sich zu haben – gedachte er doch das Thema »Helene« anzuschneiden, von dem er nur zu gut wusste, dass sein Vater daran kein besonderes Interesse hatte.
Und das war vermutlich noch ziemlich untertrieben. Der junge Graf hatte genau gemerkt, wie verärgert der alte Edelmann über die Bestrebung seines Sohns gewesen war, für Helene alles andere stehen und liegen zu lassen. Innerlich hatte sich der junge Mann daher schon auf eine heftige Auseinandersetzung vorbereitet.
Zuerst ging es natürlich um die Finanzen. Zu Hassos heimlicher Überraschung war sein in manchen Dingen strenger Vater aber mit dem Verhandlungsgeschick seines Sohnes sehr zufrieden.
»Besser hätte ich es auch nicht gekonnt. Mehr konntest du nicht erreichen, Hasso. Ich bin froh über diese Konditionen, die wir erhalten haben von diesen schlauen Füchsen. Die Sicherheit, welche wir angeboten haben, die angeblichen Erträge aus einer Silbermine, müssen ja erst noch realisiert werden. Umso besser, wenn die Fugger sich darauf eingelassen haben.«
Das war alles, was Ferfried zu den Rückzahlungsbedingungen des Kredits über die stolze Summe von 200 000 Gulden äußerte. Die Hälfte davon waren Wechsel des Bankhauses Fugger, bei einem Viertel handelte es sich um Schuldverschreibungen und den Rest – 50 000 Gulden – führte Hasso in einem Sack in bar mit sich, den er nun seinem Vater aushändigte.
»Warum habt Ihr Euch eigentlich nicht an Euren sonstigen Geldgeber gewandt, Vater?«, fragte er. »Üblicherweise tätigt Ihr alle Geldgeschäfte über Herschel Grünbaum, Euren Schutzjuden in Reschenbach. Seid Ihr nicht mehr zufrieden mit ihm?«
»Oh, doch. Schon seit dreißig Jahren leistet mir der Grünbaum gute Dienste. Nein, unzufrieden bin ich mit dem Juden überhaupt nicht – im Gegenteil. Der Herschel und seine Söhne David und Saul sind kluge, gewissenhafte und vor allem ehrliche Geldverleiher; ehrlicher als manch andere der christlichen Wucherer. Aber ich halte es nicht für gut, nur mit einer einzigen Bank Geschäfte zu tätigen. Ich habe Kredite vom Grünbaum und jetzt den Riesenbatzen von den Fuggern – und einer weiß nichts vom anderen. Das ist besser für die zukünftige Kreditwürdigkeit, verstehst du? Und außerdem ist da noch etwas.« Ferfried winkte seinen Sohn näher zu sich heran. »Hör zu, aber behalte es für dich, ja? Je länger der Krieg dauert, umso erbitterter werden die Auseinandersetzungen zwischen der katholischen und der protestantischen Seite wüten. Und die Auswüchse eines unerbittlichen Katholizismus werden, was etwa die sogenannten ›Ketzer‹ betrifft, immer rabiater ausfallen. Wenn du mir nicht glaubst, frag Pater Ambrosius.
Wen die Kirche schon längst im Visier hat, sind die Juden. Sie wird man, wenn die Protestanten zu mächtig werden – und danach schaut es doch in der Tat aus -, als geeignete Opfer zur Schlachtbank führen oder auf den Scheiterhaufen verbrennen. Man wird alles, was man den Hexen an Freveltaten vorwirft, den Satanskult, die Hostienschändungen, den Mord an Ungetauften und so weiter in Zukunft den Juden anhängen, um sie ohne Gewissensbisse massakrieren zu können.«
»Aber Vater, findet Ihr das nicht ein wenig übertrieben?«, wollte Hasso wissen.
»Der Graf hat vollkommen recht.«
Ohne dass es die beiden bemerkt hatten, war Pater Ambrosius ins Zimmer getreten. »Die Juden sind die am besten geeigneten Opfer, die man sich denken kann. An Anzahl zu gering, um sich wirkungsvoll zur Wehr setzen zu können, außerdem ohne Rückhalt in der Bevölkerung. Leben sie doch abgeschottet in ihren Ghettos und sind ein Rätsel für jeden aufrechten Christenmenschen, mit ihren seltsamen Gebräuchen und merkwürdigen Speisegeboten. Außerdem glauben sie nicht an Jesum Christum, seine jungfräuliche Mutter und unsere katholischen Heiligen. Das macht sie sehr verdächtig. Und nicht zuletzt sind sie aufgrund ihrer Klugheit und ihres Fleißes meistens reiche Leute – und das erweckt den Neid ihrer christlichen Nachbarn. Was liegt also näher, als sie zu verleumden und damit wirkungsvoll auszuschalten?«
»Hm. Ja, ich denke Ihr habt nicht so unrecht damit, Pater«, sagte der junge Graf. »Auf dem Ritt, kurz vor
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