Die Hexengraefin
Augsburg, sind meine Begleiter und ich Zeugen einer sehr unerfreulichen Szene geworden. Ein paar Bauern erschlugen auf einer Wiese beinahe einen jüdischen Händler. Als meine Männer und ich eingegriffen haben, wussten sie als Grund für ihre brutale Attacke nur anzugeben, dass angeblich irgendwo, irgendwann Juden ein christliches Kind getötet haben sollen, um dessen Blut zu trinken. Sie wollten an diesem harmlosen Mann, den sie an seiner Kleidung und Barttracht als Angehörigen dieser ›ungläubigen Satansdiener‹ erkannten, die Bluttat rächen. Sie waren auch gar nicht einsichtig und haben sich unsere Einmischung strikt verbeten. Erst als ich ihnen fürchterliche Prügel angedroht habe sowie eine empfindliche Geldstrafe, für welche ich zu sorgen versprach, waren sie bereit, nicht nur von dem einen Hebräer, sondern von allen seinen Glaubensbrüdern in Zukunft abzulassen. Aber ich möchte schwören, dass sie sich einen Teufel um ihr Versprechen scheren werden. ›Christusmörder‹ haben sie ihm zum Abschied hinterhergerufen – was sie uns geheißen haben, als wir um die nächste Ecke gebogen waren, möchte ich gar nicht wissen.«
Eine kurze Stille trat ein. Hasso räusperte sich, dann nahm er seinen Mut zusammen und sagte: »Vater, ich hätte noch etwas mit Euch zu besprechen.«
Doch wieder mischte der Benediktiner sich ein. »Euer Vater weiß, wovon Ihr zu reden wünscht, junger Herr. Und ich versichere Euch, er hat dafür Verständnis.«
Nun war Hasso doch einigermaßen verblüfft. Geschwind wandte er sich zu Herrn Ferfried, um dessen Gesichtsausdruck zu prüfen; was er sah, schien die Worte des Paters zu bestätigen. Der Graf von Ruhfeld nickte, hüstelte ein bisschen, schien nach den richtigen Worten zu suchen und meinte dann: »Ich sollte dich nicht tadeln dafür, dass du dich für das arme Mädchen einsetzen möchtest – im Gegenteil. Es zeugt von deinem guten Charakter und edlem Gemüt, wenn du dich wehren willst gegen Ungerechtigkeit und Willkür. Ich unterstütze dich voll und ganz. Und das meine ich so ernst, dass ich ein Schreiben aufsetzen werde, um dir die Verhandlungen mit den Ortenberger Amtspersonen zu erleichtern. Nicht, dass ich glaube, du selber könntest dich nicht durchsetzen, aber ich bin noch der Herr auf Ruhfeld und genieße mehr Autorität als du, mein Sohn. Und das könnte einiges beschleunigen.«
»Und genau darum geht es: Um rasches Handeln«, fügte der Mönch hinzu. »Jeder Tag ist wichtig – wir wissen doch nicht, wie schnell sie dieses unglückliche Wesen vor Gericht stellen und mit ihren abartigen Verhörmethoden beginnen werden.«
Hasso von Ruhfeld hatte jegliche Farbe verloren und schnappte hörbar nach Luft.
»Und darum werde ich jetzt zwei Edelknechte mit einer Botschaft an den Obersten Richter in Ortenberg und an den zuständigen kaiserlichen Landvogt schicken. Darin bitte ich – denn befehlen kann ich den Richtern und den Herren, die dem Bischof von Straßburg unterstehen, nichts – die Verhandlungen gegen die Jungfer Hagenbusch im Augenblick ruhen zu lassen. Man soll sie weder ›gütlich‹ noch ›peinlich‹ befragen, noch ihr sonst irgendwelchen Tort antun, ehe mein Sohn, der zukünftige Graf von Ruhfeld, mit neuen Vorschlägen, besagte Jungfer betreffend, erscheinen wird. In der Zwischenzeit sollte Helene Hagenbusch in ihrem Kerker jeden Besuch empfangen dürfen, den sie zu sehen wünscht. Nun, bist du jetzt mit mir zufrieden?«, wollte der alte Edelmann endlich wissen.
»Aber natürlich, Vater«, rief Hasso erleichtert aus. »Aber wäre es denn nicht möglich, gleich zu verlangen, dass man sie freilässt?«
»Unmöglich, mein Sohn. Wie gesagt, ich habe in diesem Fall keinen direkten Einfluss auf das Gericht, welches im Namen des Bischofs von Straßburg seine Aufgabe erfüllt.«
»Könnte ich dann vielleicht sofort nach Baden reiten und nach dem Rechten sehen, Vater? Ihr könntet mich doch entschuldigen und …«
»Nein, das geht nicht«, erwiderte Graf Ferfried fest, und um die Enttäuschung des Sohnes etwas zu mildern, fügte er hinzu: »Der Kurfürst von Bayern hat mir eben die Botschaft überbringen lassen, dass er dich unbedingt zu sehen wünscht, Hasso. Es ist eine große Ehre, die nähere Bekanntschaft Maximilians machen zu dürfen. Wie dir bekannt ist, ist der Herzog einer der besten Freunde des Kaisers. Womöglich hat der mächtige Kurfürst tatsächlich eine Aufgabe für dich, bei der du dich als Held beweisen kannst. Ich möchte dich nur
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