Die Hexengraefin
Zeichen wider den bösen Blick gegen mich und rief aus: ›Ich habe keinerlei Zweifel, dass sie eine Hexe ist! Bemerkt Ihr nicht ihre teuflischen Augen, Ihr Herren? ‹
Der Munzinger gab dem Schreiber, einem verschrumpelten Männchen, das seitlich an einem separaten Tisch hockte, einen Wink, und der nahm eilfertig den Federkiel zur Hand, tunkte ihn ins Tintenfass und schaute auf den Richter.
›Nehmt zu Protokoll, Herr Schreiber, dass die Jungfer Helene Hagenbusch, Tochter des Schultheiß Jakob Hagenbusch und seiner Ehefrau Walburga aus Reschenbach, leugnet, jemals auf dem Kandel, dem uralten Tanzplatz aller Hexen unserer Gegend, gewesen zu sein. Sie leugnet ferner, auf selbigem mit dem Satan getanzt zu haben. Ist das richtig so, Jungfer Helene?‹, fragte er mich ganz freundlich.
›Natürlich, Euer Ehren. Was sollte ich denn da? Ich war mein Lebtag noch nicht auf dem Kandel. Und welcher vernünftige Mensch möcht schon mit dem Teufel tanzen? Die Sofie und die Agnes gewiss auch nicht. Sie sind nimmer die Jüngsten und haben nicht mehr die kräftigsten Beine und den nötigen Schnaufer, um auf den Berg zu gelangen. Und gescheit sehen tun die zwei auch nimmer.‹
Aber dem Munzinger hat das natürlich nicht gereicht.
›So, so. Schlechte Augen sollen die Weiber – übrigens überführte und geständige Hexen – haben? Dann haben sie wohl auch nicht gut gesehen, als sie uns haargenau beschrieben haben, dass Ihr, Jungfer Helene (wobei er das ›Jungfer‹ ganz spöttisch betont hat), nicht nur getanzt habt mit dem Gottseibeiuns, sondern noch ganz andere Dinge mit dem in Gestalt eines geilen Ziegenbockes erscheinenden Satan, getrieben habt?‹, wollte er wissen.
›Was denn für Sachen?‹, fragte ich entsetzt. ›Ich weiß von keinem Leibhaftigen und keinem Ziegenbock.‹
›Ihr habt ihm den After zum Zeichen Eurer Unterwerfung unter seinen Willen geleckt. Mit diesem Teufelskuss schließt die Hexe bekanntermaßen ein Bündnis mit dem Bösen. Sie schwört damit ihrem christlichen Glauben ab und ergibt sich ganz dem Herrn der Finsternis‹, hat mich der Munzinger auf einmal angeschrien.
›Dummes Zeug!‹, habe ich unwillkürlich ausgerufen, und gleich darauf hat mir ein Knecht des Henkers Scheible, derselbe, der mir daheim zwischen die Schenkel gegriffen und dem ich deswegen ins Gesicht gespuckt habe, eine Ohrfeige gegeben, dass ich beinahe von meinem Armesünderbänklein gekippt wäre. Dabei grinste der Kerl mich an.
›Werd nicht frech, Hexenfotz!‹, hat er mir zugeflüstert. ›Wir zwei haben noch eine Rechnung offen.‹
Als er wieder ausholte, um mir noch eine Maulschelle zu verpassen, hat ihm der Oberste Richter Einhalt geboten. ›Es genügt‹, hat er gemeint, ›die Angeklagte wird mit der Zeit noch lernen, sich anständig vor Gericht zu betragen.‹
Es war ganz schrecklich: Die alte Bleile und die Mürfelderin waren mir nie übel gesinnt – im Gegenteil, die beiden alten Frauen waren mir dankbar, wenn ich ihnen einen Tee gegen ihre Schlaflosigkeit oder eine Salbe gegen das Gliederreißen gegeben habe. Aber jetzt haben sie behauptet, diese Salbe wäre eine Hexensalbe gewesen. Damit hätten wir uns eingeschmiert, um auf Ofengabeln durch die Luft reiten und zum Kandel fliegen zu können. Sie selber hätten es bereits viele Dutzend Male getan, aber seit etwa fünf Monaten wäre auch ich bei jedem Vollmond dabei gewesen.
Ich war so verzweifelt, als ich das gehört habe, dass ich recht unüberlegt ausgerufen habe: ›Was müsst Ihr mit den armen Alten angestellt haben, dass sie so was ausgesagt haben? Ich denke, man hat die Weiber so lang gefoltert, bis sie schließlich bereit waren, solche scheußlichen Ungeheuerlichkeiten von sich zu geben.‹
›Jawohl! Ungeheuerlichkeiten sind es, welche man Euch zur Last legt, Jungfer Helene …‹, hat einer der Richter angefangen, aber ich habe ihn gar nicht ausreden lassen: ›Wenn man Euch die Knochen bräche, würdet Ihr auch alles Mögliche gestehen – sogar, dass Ihr Eure eigene Mutter zersägt habt! Unter der grausamen Folter könnt Ihr sogar dem Frömmsten jedes beliebige Geständnis abringen. Das müsste einem doch der Verstand sagen, so man einen hat.‹
Darauf gab der Oberste Richter dem brutalen Kerl, der neben mir stand, ein Zeichen, und der versetzte mir einen Schlag an die Schläfe, dass ich besinnungslos von der Bank gefallen bin.
Als ich wieder bei mir war, schaute mich der Munzinger gar nicht so böse an. Ganz leutselig hat er gesagt:
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