Die Hexengraefin
mit einem Holzprügel fast den Oberarm kaputt geschlagen und ihn mit Fußtritten malträtiert hatte, war er zu sich gekommen. Dann hatte es eine fürchterliche Schlägerei zwischen den beinahe gleich starken, jungen Burschen gegeben, aber Jakob Hagenbusch war schließlich Sieger geblieben.
Wie ein geprügelter Hund, mit eingeschlagenem Nasenbein, zahlreichen Blutergüssen, einem gebrochenen Arm und angeknacksten Rippen war Andreas vom Platz geschlichen – wüste Flüche und grausame Racheschwüre ausstoßend.
Damals hatten viele Leute im Dorf gedacht, der junge Hagenbusch sei weit übers Ziel hinausgeschossen. Wer war die Kleine denn schon? Nichts als der Bankert einer ledigen, unfreien Magd seines Vaters, na und?
Zwischen dem Sütterlin und dem Hagenbusch war es später zwar auf energisches Betreiben des Pfarrers zu einer oberflächlichen Versöhnung gekommen, aber verziehen hatte der Andreas dem anderen die Abreibung nie. Später waren sie als Mitglieder des Reschenbacher Gemeinderats öfter aneinandergeraten, und den Posten als Schultheiß hätte der Schuhmacher Sütterlin selber gerne gehabt, aber die Mehrheit der Dörfler hatte ihn nicht gewollt. Und jetzt hatte er es doch geschafft. Er saß auf dessen Stuhl – wenn auch vorerst nur als sein »Stellvertreter«.
Zeitgleich mit Helenes Verhaftung waren »von Amts wegen« Büttel in der Gemeindestube erschienen, ausgestattet mit einer Vollmacht des Gerichtssitzes in Ortenberg, die den Jakob »vorläufig von seinen Amtsgeschäften entband« und hatten ihn in einem gesonderten Raum »in Schutzhaft« genommen.
»Wogegen will man mich denn schützen?«, hatte Hagenbusch erbost wissen wollen, aber die Männer waren nicht befugt, ihm darüber Auskunft zu erteilen. Mittlerweile hatte er von der gewaltsamen Entführung seiner Tochter und von den gegen sie erhobenen Vorwürfen erfahren.
»Seid Ihr denn alle verrückt geworden?«, hatte er gebrüllt. »Mein Helen und eine Hex? Da sind eher die vom Teufel besessen, die so was von ihr behaupten!«
Genützt hatte es weder ihm noch dem unglücklichen, jungen Mädchen. Getobt hatte der Hagenbusch, geflucht und gebrüllt, dass es selbst bei geschlossenen Fenstern auf der Gasse zu hören gewesen war – vergebens. Er blieb »in Gewahrsam« in der kleinen, stickigen Kammer, in der man normalerweise Gesetzbücher, alte Akten, Pergament, Tinte und Federkiele aufbewahrte.
Wie es auf seinem Hof, auf den Feldern und seinen Weinbergen weitergehen sollte, interessierte niemanden.
»Du hast doch ein Weib – ganz so nutzlos wird dein Walburga schon nicht sein, nicht wahr? Und außerdem hast du einen erwachsenen Sohn. Die zwei werden es schon richten«, hatte der Sütterlin, hinterhältig grinsend, gesagt.
»Ich bin jetzt der Schultheiß hier im Ort! Was allerdings mit dir geschieht, das liegt nicht in meiner Hand, darüber werden andere befinden«, hatte er hämisch hinzugefügt.
Jakob Hagenbusch war völlig ahnunglos, dass sein langjähriger Freund – wie er glaubte -, der Graf von Ruhfeld, hinter dieser Verleumdung steckte. Hätte ihm das jemand gesagt, dann hätte er dem anderen natürlich sofort die Mine überlassen, um seiner Tochter dieses unsägliche Leid zu ersparen – jene unselige Mine, von der er im Übrigen beinahe sicher annahm, dass sie »taub« war – trotz des spektakulären Klumpens, den der Sauhirte angeschleppt hatte.
Walburga Hagenbusch war ihrem Sohn Georg wirklich keine Hilfe. Sie stand nicht mehr auf, und wenn, dann kniete sie bloß im Nachthemd vor dem Bett und betete stundenlang zum lieben HERRN JESUS, seiner jungfräulichen Mutter Maria und zu diversen Heiligen. Und der Haushalt, der nun der ordnenden Hand Helenes entbehrte, verkam innerhalb weniger Tage.
Die halb blinde Magd Gertrud kochte hin und wieder einen faden Gerstenbrei, den sie dann angebrannt auf den Tisch brachte. Die Stube fegte niemand mehr und bald lag der Dreck fast knöchelhoch, weil sich keine der anderen Mägde darum kümmerte.
Wenn der Knecht Jörgli, dessen Bein wieder in Ordnung war, nicht wenigstens regelmäßig die Kühe gemolken und auf die Weide getrieben hätte, wären die Tiere verendet.
Der Einzige, der sich nach Kräften anstrengte, war das Jaköble. Ohne den Zwölfjährigen wären die Schweine verhungert. Er ließ auch die Hühner in den Hof hinaus, damit sie sich ihr Futter suchen konnten. Und er machte den Jungbauern Georg darauf aufmerksam, dass in den Weinbergen einiges zu tun wäre, sollte die gesamte
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