Die Hexengraefin
ganze zwei Tage in Regensburg dabeihaben, mein Sohn. Danach kannst du meinetwegen heimreiten, während ich noch etwa eine bis zwei Wochen hierbleibe.«
Der innere Widerstand des jungen Mannes war deutlich an seiner Miene abzulesen, aber er schwieg und unterwarf sich der Autorität des Älteren. Dieser beugte sich jetzt vor zum Ohr seines Sohnes und flüsterte ihm zu: »Bereits am zweiten Tag meiner Reise hierher habe ich einen Boten mit einem Schreiben an Bischof Leopold geschickt. Darin habe ich ihn schonend darauf vorbereitet, dass er damit rechnen müsse, in Kürze zwei weibliche Personen aufzunehmen, die sich unter seinen Schutz begeben möchten. Eine davon sei meine Tochter Adelheid und bei der anderen handele es sich um deren liebe Freundin, eine irrtümlich als Hexe verleumdete junge Frau, für deren Ehrbarkeit und Schuldlosigkeit ich mich jedoch verbürge.«
»Aber Vater, der Bischof …«
»Ich weiß, was du sagen willst, aber vertrau mir, mein Sohn. Der hohe Herr ist mir seit Langem einen Gefallen schuldig, und um diesen bitte ich ihn jetzt. Der Bruder des Kaisers wird davon nicht erbaut sein, aber darauf kann ich keine Rücksicht nehmen. Außerdem wollen wir doch eines nicht vergessen: Bischof Leopold ist – allerdings um viele Ecken herum – ein Verwandter deiner und Adelheids verstorbener Mutter.«
Das hatte Hasso bisher nicht gewusst. Darüber hinaus zeigte ihm seines Vaters Vorsorge, dass dieser nicht recht daran glaubte, Helene mit friedlichen Mitteln aus dem Kerker befreien zu können. Im Gegenteil, der Graf schien mit einer gewaltsamen Befreiungsaktion zu rechnen …
KAPITEL 19
»ICH VERSTEHE EURE AUFREGUNG NICHT, meine Herren. Dieser Prozess ist ein ganz normales Verfahren. Aber nicht nur der Hexenhammer wird mich leiten, sondern auch die Schrift Über die Geständnisse der Zauberer und Hexen von einem Doktor der Theologie, namens Peter Binsfeld, der außerdem Weihbischof in Trier ist. Darüber hinaus steht dem Gericht das Hexenwerk eines gelehrten Jesuitenpaters mit Namen Martin Del Rio zur Verfügung. Alle diese Kapazitäten halten es für unbestreitbar, dass jedwede Art Zauberei – wie man sie der Hagenbusch vorwirft – nur mit Hilfe des Teufels möglich ist. Der Teufel gewährt seine Hilfe nur auf Grund eines Vertrages mit der Hexe, der entweder ausdrücklich oder stillschweigend zustande kam. Dafür fordert der Satan die Seele der Hexe als Gegenleistung. Und solche Hexen müssen wir aus unserer Christengemeinde entfernen. Weshalb sollte ich jetzt eine Ausnahme machen? Nur weil Graf Ruhfeld einen Brief aus Regensburg geschickt hat?«, sagte der Oberste Richter Bertold Munzinger gereizt zu seinen drei Besuchern.
Es waren dies der Landvogt, Herr Maximilian Veigt, der Schlossvogt des Grafen Ruhfeld, Anselm von Waldnau, sowie der hochwürdige Herr Ingo Hasenauer, Pfarrer in Reschenbach.
Die drei saßen ein wenig bedrückt vor ihm und rutschten verlegen auf den Sitzflächen ihrer Stühle herum.
»Mich hat nur zu interessieren, dass erstens Zeugen vorhanden sind, die zweitens die Angeklagte bei fluchwürdigem Tun beobachtet haben und die drittens bereit sind, das vor Gericht zu beschwören. Alle drei Punkte sind erfüllt, meine Herren. Es gibt nicht nur zwei oder drei Augenzeugen, sondern in diesem besonderen Glücksfall sogar deren fünf. Die Machenschaften der Beschuldigten sind nicht nur verabscheuungswürdig, sondern primo gegen unseren heiligen Glauben und secundo zum Schaden gegen ihre Mitmenschen gerichtet gewesen; und terzio sind sämtliche Zeugen willens, ihre Angaben vor uns Richtern zu beeiden.
Das Schreiben des Grafen Ruhfeld mit der Bitte um Aufschub des Verfahrens kann ich beim besten Willen nicht verstehen. Es gibt keinen Grund für eine Verschleppung des Prozesses. Denn es ist alles vorhanden, was ich zu einem Malefiz-Prozess brauche. Wie sollte ich unserem Herrn, dem hochwürdigen Herrn Bischof Leopold, dieses Abweichen von der üblichen Verfahrensweise erklären?
Wie Ihr zu den Denunziationen gekommen seid, ist nicht meine Sache. Das habt Ihr vor Eurem eigenen Gewissen zu verantworten.«
Bei der letzten Bemerkung liefen die Köpfe der Herren dunkelrot an.
»Lasst uns doch gütlich miteinander verhandeln«, versuchte es Pfarrer Hasenauer. Am liebsten hätte er sich selbst geohrfeigt. Wie hatte er nur so töricht sein und sich auf das Gerede vom Schlossvogt verlassen können?
Es stimmte ja, der Hannes Leiblein war von Geburt an ein Idiot. Und diesen hatte er gegen
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