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Die Hexengraefin

Titel: Die Hexengraefin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karla Weigand
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vom Oberrhein spöttisch. »Aus christlichem Erbarmen soll dies geschehen sein? Ich dachte bisher, es wäre die Geldnot der bayerischen Herzöge gewesen, die ein solches Handeln zwingend notwendig machte.«
    Das Gesicht der Kurfürstin nahm daraufhin eine dunkelrote Färbung an, aber ihr Gemahl Maximilian ließ sich nicht provozieren. Er starrte den Sprecher mit seinen großen, kalten Augen ins Gesicht und stellte richtig: »Schon 1442 sind die Kinder Israels endgültig aus München und Bayern ausgewiesen worden. Und so soll es auch fürderhin bleiben. Die schlechten Sitten dieser Ungläubigen dürfen die Seelen meiner Untertanen nicht vergiften. Daran sollten sich auch andere ein Beispiel nehmen.«
    Wenn Maximilian keine größeren Sorgen plagen, ist er glücklich zu nennen, dachte Hasso von Ruhfeld, dem der Kurfürst nicht sympathisch war. Von Religion und Kunst mag er ja viel verstehen – Maximilian hatte mächtig angegeben mit den Künstlern, die er nach Bayern geholt hatte -, aber ich bezweifle, ob er ein treu sorgender Landesvater in den kommende Kriegszeiten sein wird.
    Hasso war froh, dass der Freund des Kaisers für ihn keine Verwendung hatte. Seine Gedanken waren ohnehin nur bei seiner unglücklichen Liebsten. Erneut gab er seinem Pferd die Sporen.

KAPITEL 22
    DER BEGRIFF »HEXE« WAR ALLEN RICHTERN längst in Fleisch und Blut übergegangen. Alle diesbezüglichen gerichtlichen Untersuchungen verliefen nach ein und demselben Muster.
    Auch Bertold Munzinger war überzeugt, dass Helene Hagenbusch vom Teufel verführt worden war. Was er noch nicht wusste – aber mit Sicherheit erfahren würde -, war, womit sich der Satan die Tochter des Schultheiß’ gefügig gemacht hatte.
    Im Allgemeinen bestanden die Versprechungen des Teufels darin, eine Hexe reich zu machen und ihr zu gegebener Zeit erlesene Tafelfreuden zu bescheren, wobei nicht allein die pure Völlerei im Vordergrund stand, sondern vor allen Dingen das hemmungslose Trinken.
    An nächster Stelle standen Musik und Tanz, schöne Kleider und Geschmeide und – nicht zuletzt – Wollust ohne Ende mit dem Herrn der Finsternis, der beim Hexensabbat mit jeder Unholdin kopulierte, meistens in Gestalt eines großen Ziegenbockes, aber auch als schöner, junger Mann.
    Wieder stand Helene in ihrem schäbigen Hemd vor ihren Richtern. Das Bänkchen hatte man jetzt allerdings entfernt: Heute hatte sie sich stehend den Anklagen zu stellen, obwohl ihr bereits von der kurz vorher beendeten »Behandlung« durch den Henker übel war.
    Martin Scheible hatte sie, gemäß den Richtlinien des Hexenhammers, der sogenannten Hexenprobe unterworfen. Dabei ging es darum, dass der Henker am Körper der Hexe ein bestimmtes Hexenmal finden musste. Und Scheible war in der Tat fündig geworden …
    »Was sagst du zu den sechs Hexenmalen, die der Henker an deinem Leib gefunden hat?«, wollte der Oberste Richter wissen. »Ich weiß, dass er eifrig danach gesucht hat«, antwortete sie, »und dass er mich überall am Körper mit einer Nadel grausam gestochen hat, dass das Blut herausgespritzt ist. Von einigen Stellen hat er behauptet, sie seien schmerzunempfindlich gewesen und hätten nicht geblutet, obwohl er die Nadel ganz tief hineingebohrt hat. Das seien die Hexenmale. Ich kann dazu nur sagen, dass mir jede Stelle, die er gestochen hat, grausam wehgetan hat. Da mag der Scheible behaupten, was er will.«
    »Was verstehst du von diesen Sachen, dummes Ding? Sei nicht so vorlaut«, schimpfte der Mönch Damian, dessen stechende Augen sie ebenso fürchtete, wie verabscheute.
    »Mag sein, dass ich nichts davon verstehe, Ihr Herren«, sagte Helene, »aber vielleicht könnt Ihr mir ja erklären, wozu es gut gewesen sein soll, dass der Scheible mir mit seinem schmutzigen Zeigefinger in die Fut gefahren ist! Hat er da womöglich auch nach einem Hexenmal gesucht?«
    »Du Teufelsbraten lernst es wohl nie, was? Wann wirst du endlich aufhören, dich über den Henker zu beschweren?«, hatte der Oberste Richter Munzinger aufgebracht gesagt, und er diktierte dem Schreiber »fünf Rutenstreiche extra« für die Delinquentin, »durch den ehrenwerten Nachrichter Martin Scheible zu verabreichen«.
    Nun befasste sich das Gericht ganz explizit mit ihrer nächtlichen Fahrt zum weithin sichtbaren Gipfel des 1243 Meter hohen Kandels, der bereits in uralten Zeiten als der »Blocksberg des Breisgaues« verschrien war. Auf dem mächtigen, an der Nordwestseite des Berges gelegenen Kandelfelsen sollen sich früher

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