Die Hexengraefin
die Hexen der Umgebung zum Tanz mit dem Satan getroffen haben.
»Hexensabbat« wurde angeblich auch auf dem Blauen und der Hornisgrinde gefeiert. Und zum Wettermachen – das wusste jeder Richter – trafen sich die Hexen an wohlbekannten Orten rund um die Dörfer: Am Hürnenbrüchlein beispielsweise, am Urloffener Brücklein, am Englischen Bach, im Rindschädel, im Ryseneck, in der Schweinshalde, in Rammersweier und bis weit ins Elsass hinein.
Oh, ja, das Gericht wusste Bescheid, und keine der Satansbräute sollte glauben, sie könne die Richter für dumm verkaufen.
»Sag uns nun, welchen Ruf müsst ihr Hexen ausstoßen, ehe ihr euch zu eurem Treffpunkt aufmacht«, forderte der Munzinger das Mädchen, das sich kaum noch auf den Beinen halten konnte, mit scheinheiliger Freundlichkeit auf.
»Ich weiß von keinem Ruf, von keinen Hexen und erst recht von keinem Treffpunkt«, antwortete Helene.
»Geht das jetzt schon wieder los mit deiner Bockigkeit? Willst du uns heute erneut vorlügen, du wüsstest nichts von alledem?«
»Es tut mit leid, wenn ich Euch enttäuschen muss, aber so ist es: Ich weiß nicht, wovon Ihr sprecht, Euer Ehren.«
Krampfhaft hielt das Mädchen sich aufrecht.
»Ist es nicht so, dass alle Hexen, ehe sie sich zum Sabbat aufmachen, rufen müssen: ›In tausend Teufel Namen!‹, ehe sie auf ihren gesalbten Stöcken in die Luft reiten? Gib es zu.«
»Ich habe selten einen solchen Unsinn gehört. Wer erzählt denn so etwas? Wer soll sich denn auf einem Stecken in die Lüfte schwingen können?«
»Natürlich. Ich habe ganz vergessen, dass du zwar eine gewöhnliche Bauerntrine bist, aber dich meistens in besserer Gesellschaft auf einem Schloss aufgehalten hast. Vermutlich weißt du gar nimmer, was eine ›Ofengabel‹ ist? Du bist vermutlich in einer richtigen mit Schimmeln oder weißen Katzen bespannten Kutsche zum Kandel gefahren?«
Helene schwieg voll Verachtung.
»Verweigerst du uns etwa jetzt die Antwort?«, fragte ein neben dem Munzinger sitzendes, buckliges Männchen. »Dann müssten wir dir umgehend eine Behandlung Meister Scheibles angedeihen lassen, um dir das Maul zu öffnen.«
»Was der ehrenwerte Herr Oberste Richter gesagt hat, trifft nicht zu«, antwortete Helene fest.
»Na, es geht doch. Ich habe gewusst, dass du reden kannst – wenn mir deine Antwort auch nicht gefallen hat.«
Als Nächstes ging es um die Hexensalbe, womit die Frauen sich angeblich einrieben, um überhaupt zum Sabbat reiten zu können.
»Erzähl uns etwas über die Herstellung dieser ekligen Schmiere, die du benutzt hast. Und behaupte nicht wieder, du wüsstest nichts davon. Hier liegen die beeideten Aussagen der zwei Witfrauen, Sofie Bleile und Agnes Mürfelder vor mir, die dich gesehen haben. Also.«
Die Laune des Munzingers hatte sich merklich verschlechtert.
»Es ist wahr, dass ich mich, zusammen mit der Gräfin von Ruhfeld, meiner lieben Freundin, um Kräuter und ihre Wirkungen bekümmere, aber von einer Hexensalbe ist mir nichts bekannt. Damit hatte ich noch nie zu tun, und ich bezweifle, dass es so etwas überhaupt geben kann.«
»Schon dein Zweifel macht dich als Hexe verdächtig. Es ist erwiesen, dass es eine solche Salbe gibt, die den Weibern das Fliegen ermöglicht.«
»Habt Ihr schon mal eine Frau fliegen sehen, Euer Ehren? Ich nicht.«
»Weitere fünf Rutenstreiche wegen unverschämter Rede gegen den Obersten Richter«, diktierte ungerührt der Munzinger dem Gerichtsschreiber. Seine Stimmung aber war jetzt endgültig im Keller.
»Wir wissen bereits von geständigen Hexen, wie eine solche Teufelssalbe hergestellt wird. Die Weiber verwenden dazu Haar von ihrer Scham, Eppichsaft, Wolfskraut, Tormentill, Ruß und Nachtschatten. Die wichtigste Zutat aber ist Kinderfett, das von ungetauften Säuglingen stammt. Deshalb stehlen Hexen neugeborene, ungetaufte Kindlein, treiben Schwangeren die Frucht ab oder graben nächtlicherweise die ungetauft Beerdigten aus. Und du willst uns weismachen, dass du den Spruch nie gehört hast: ›Dazu gehört das Fett des Knaben, den die Hex erwürgt im Graben.‹?«
Im Gerichtssaal kam jetzt unter den zwölf Richtern, die das verstockte Geschöpf angewidert musterten, Unruhe auf.
»Was hat der Böse dir versprochen, damit du dich ihm hingegeben hast?«, verlangte Munzinger nun in barschem Ton zu wissen. »Das Gericht weiß, dass du nie Hunger leiden musstest und Durst kennst du vermutlich bloß vom Hörensagen. Schöne Kleider hat dir deine Gräfin geschenkt,
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