Die Hexengraefin
richteten. Aber alles, was diesbezüglich in den Protokollen gestanden hatte und dreimal gereicht hätte, das Satansweib auf den Scheiterhaufen zu bringen, war durch die zurückgenommenen Aussagen dieser feigen, sogenannten Augenzeugen obsolet geworden.
»Auf ihr Gewissen haben sie sich berufen – dass ich nicht lache!«, hatte der Munzinger ausgerufen, als er den Rat der zwölf Richter über die höchst ärgerliche Wendung der Dinge informieren musste.
Ewald Winterling, einer der Eifrigsten unter den zwölf Richtern, war es, der den zweckdienlichen Einfall hatte, die beiden geständigen Hexen erneut peinlich vernehmen zu lassen, um ihnen die Frage vorzulegen, ob sie nicht die Tochter des Schultheißen dabei beobachtet hätten, wie diese an Menschen oder Vieh ihren Schadenszauber vollbracht habe.
Auch Pater Damian, der geistliche Beistand aller Delinquenten, begrüßte diesen Vorschlag und Munzinger griff ihn begeistert auf.
Martin Scheible musste also mehr Arbeit leisten, aber das tat er gerne. »Nichts tu ich lieber, als diese Hexensäue ein bisschen zu kitzeln, bis sie jubeln«, sagte er grinsend.
Außerdem bedeutete es neben dem Spaß, den er dabei empfand, eine nicht zu verachtende Mehreinnahme – wurde der Nachrichter doch für jede seiner Handanlegungen an den üblen Subjekten bezahlt.
Und wie zu erwarten gewesen, sagten Sofie und Agnes im Sinne des Obersten Richters und des gesamten Gerichtes aus.
»Uns liegen Zeugenaussagen vor, welche dich dabei gesehen haben, wie du durch Berühren mit einem Zauberkraut sechs Kühe des Andreas Sütterlin, des jetzigen Schultheißen von Reschenbach, krank gemacht hast. Die Rindviecher sind auf der Weide alle tot umgefallen, kaum dass du in ihrer Nähe gewesen bist.«
Mit dieser absurden Behauptung eröffnete Munzinger den nächsten Gerichtstag.
»Willst du dazu etwas sagen, Hexenbraut?«, bohrte er nach, als Helene keinerlei Anstalten machte, sich zu dem Vorwurf zu äußern.
»Doch, ich kann dazu etwas sagen, Euer Ehren. Nämlich dass das wieder ein Riesenblödsinn ist und eine faustdicke Lüge dazu, weil der Sütterlin gar keine Kühe hat.«
»Jetzt wohl nimmer«, bemerkte einer der Richter und lachte schallend.
Dem Helen hatte man heute gnädig gestattet, auf einem Schemel zu sitzen, weil man fürchtete, sie könnte sonst wieder ohnmächtig werden. Jetzt fuhr sie unbeirrt fort: »Lasst Euch sagen, Euer Ehren, besagter Sütterlin hat noch nie Kühe besessen. Er ist nur Obst- und Weinbauer, allerdings ein recht großer. Fast so groß wie mein Vater«, fügte sie stolz hinzu. »Er hat immer behauptet, das Vieh mache zu viel Arbeit und die Kosten stünden bei der Aufzucht in keinem Verhältnis zum Ertrag. Er ziehe es vor, die nötige Milch bei seinem Nachbarn zu kaufen oder gegen selbst gebrannten Schnaps zu tauschen. Wie kann ich ihm also sechs Kühe totgezaubert haben?«
Herrjemineh! Peinlich war das dem Munzinger schon. Denn keiner hatte es für nötig befunden, die Angaben der beiden alten Weiber zu überprüfen.
›Wer kann denn ahnen, dass dieser Idiot überhaupt keine Rindviecher hat?‹, dachte der Oberste Richter, und seine Wut auf die Hexe vergrößerte sich noch. Welche Scherereien er bloß mit dieser Dirne hatte – Zeit, dass sie auf dem Reisighaufen verschmorte.
»Es ist völlig unerheblich, wem die Kühe gehört haben. Wichtig ist allein die Tatsache, dass du, verfluchtes Hexenbalg, sie umgebracht hast!«, unterstützte da der Mönch Damian Rothaus den Munzinger. Der blickte den Pater dankbar an und griff diesen absurden Gedanken sofort auf.
»Ich habe nie in meinem Leben Kühe oder sonstige Tiere durch Zauberei umgebracht«, sagte Helene und blickte den Stabträger dabei fest an. »Wenn ich Tiere getötet habe, waren es Hühner, Hasen oder Gänse, die wir daheim gegessen haben. Und das Schlachten ist wohl nicht verboten, Euer Ehren. So oft Ihr ein Stück Geräuchertes esst, hat die Sau vorher einer abstechen müssen, oder nicht?«
»Ich danke dir für die Belehrung, da wäre ich allein nicht draufgekommen«, erwiderte spöttisch der Oberste Richter. Aber er wusste genau, dass dieser Punkt eindeutig an die Angeklagte gegangen war. Zudem bemerkte er zu seinem nicht geringen Missvergnügen, dass sich bereits mehrere der beisitzenden Richter nur mühsam das Lachen verkniffen.
»Ferner hat man dich dabei erwischt, wie du Mäuse gemacht hast und diese schädlichen Nager in ein Getreidefeld des Grafen Ferfried von Ruhfeld getrieben hast.
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