Die Hexengraefin
»Nun wohl, ich sehe, Ihr bedauert den Vorfall, Jungfer. Wir wollen ihn vergessen, zumal er an der Anklage gegen besagte Hexe Helene Hagenbusch nichts ändert. Die übrigen Zeugen genügen dem Gericht vollkommen, sie der Hexerei zu überführen. Ihr könnt Euch jetzt entfernen.«
Diesen Zeugen losgeworden zu sein, empfand er im Nachhinein sogar als Erleichterung. Welchen Eindruck hätte dieses stotternde, idiotisch grinsende Individuum im Gerichtssaal gemacht? Alle anderen Zeugen waren jedoch »normal« und würden zu ihrer Aussage stehen.
Nun, diese Ansicht des Ehrenwerten Stabträgers, der im Geist schon lange den Stab über die mit teuflischen Mächten im Bunde stehende Angeklagte gebrochen hatte, sollte sich als nicht ganz richtig erweisen.
Zu seinem größten Unmut dauerte es nicht lange, und die nächste Zeugin brach jämmerlich ein. Der wohlhabende Bauer Klaus Bentele höchstpersönlich erschien mit seiner Magd Gertrude, die ausgesagt hatte, sie habe das Helen beim Hagelmachen beobachtet. Diese Behauptung wolle sie jetzt zurücknehmen.
Wütend knallte der Munzinger die Protokolle auf den Tisch, die die des Lesens und Schreibens Unkundige seinerzeit mit drei Kreuzen unterzeichnet hatte.
»Darf ich Euch vorlesen, was die hörige Magd Gertrude Bammert, wohnhaft zu Reschenbach auf der Hube des Freibauern Nikolaus Bentele, vor mir und zwei anderen Herren freiwillig ausgesagt hat?«, fragte er zornesrot den Bentele.
»›Ich, Gertrude Bammert, genannt das Trudi, habe am Mittag des siebten Mai die Jungfer Helene Marie, Tochter des Schultheißen Jakob Hagenbusch, bei den Weiden an der Acherbrücke bei Reschenbach beobachtet, wie selbige dort heimlich in einem schwarzen Topf Hagel gesotten hat. Ich habe mich leise angeschlichen und gehört, wie sie gottlose Zaubersprüche vor sich hingemurmelt hat, indem sie in den Topf aus einem Säcklein grüne Erbsen geworfen hat, dazu ein Stück Pech, eine Strähne abgeschnittener, blonder Haare von ihrem Kopf, dazu hat sie Natternkraut getan, und zum Schluss hat sie unflätiges Wasser darübergegossen.‹ Das sollte wohl heißen, sie hat darüber uriniert«, fügte er unwillig an.
»Weiters hat sie zu Protokoll gegeben: ›Das alles hat sie eifrig im Topf mit einem Stecken umgerührt und hat dabei gesungen: Nelken und Rosen, Jäckle und Hosen, Mäuse und Schwarten, Spieler und Karten, Bänke und Sessel, Pfannen und Kessel, Flinten und Sabel, Schaufel und Gabel, Flauten und Harfen, Hechten und Karpfen, Bitter und Sauer, Hagel und Schauer. Kommet all zusammen in des Teufels Namen.‹
Und dann will Eure Magd gesehen haben, wie die genannte Helene Hagenbusch den Inhalt jenes famosen Hexentopfes in alle vier Himmelsrichtungen verstreut hat. Und all das will sie jetzt leugnen?«
Die Augen des Munzingers unter seinen schwarzen, zornig gerunzelten Brauen funkelten gefährlich, und Klaus Bentele beeilte sich, den Richter zu beschwichtigen.
»Nein, gnädiger Herr, Euer Gnaden. Es leugnet nicht, das Trudi. Bloß muss es jetzt bekennen, dass es sich wahrscheinlich geirrt hat.«
»Was soll denn das heißen ›geirrt‹? Hat sie das Hexen-Mensch nun beim Hagelsieden überrascht oder nicht? Hat deine dumme Magd überhaupt was gesehen, oder war sie schon am hellen Mittag besoffen?«
Die Gertrude und ihr Herr wurden blass. Weil die Hörige vor Schreck kein Wort mehr herausbrachte, übernahm der Bauer erneut das Reden. Und nach einem tiefen Bückling bemühte er sich, die ganze Angelegenheit als Versehen hinzustellen.
»Erklärt mir das, bitte«, fuhr der Oberste Richter ihn an.
Und der Klaus, von dem der Munzinger zu Recht argwöhnte, der Mann habe eine Liebschaft mit der ledigen Magd, begann des Langen und Breiten zu behaupten, das Trudi hätte sich das Ganze noch einmal durch den Kopf gehen lassen, weil die Geschichte doch eine ganz heikle Sache wäre, nicht wahr? Und so wäre die Magd nach reiflicher Überlegung zu dem Schluss gekommen, dass sie eigentlich viel zu weit entfernt gewesen sei, um etwas Genaues zu erkennen, nicht wahr? Es wäre möglich, dass das Helen etwas ganz anderes gemacht hätte: Ja, es könnte sogar sein – unter Umständen, nicht wahr? -, dass die Tochter vom Jakob gar nicht bei der Brücke gewesen sei, sondern ein ganz anderes Weibsbild.«
»Da soll doch gleich die Pest über Euch kommen, Bentele. Hätte Eure alberne Magd nicht vorher genau überlegen können, ehe sie mit dieser Geschichte zum Gericht läuft? Das ist ja unglaublich. Dann ist die Sache mit
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