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Die Hexengraefin

Titel: Die Hexengraefin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karla Weigand
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dieser Nacht bekam Helene Hagenbusch erneut Besuch. Als dieser sie nach Stunden, noch vor Morgengrauen, wieder verlassen hatte, wusste sie, wie der Teufel sich anfühlte, wie er roch, wie er sprach. Und sie wusste vor allem, wer er war.
    Und er hatte ihr eins klargemacht: Dass er sie von jetzt an jede Nacht aufsuchen und missbrauchen werde. Erst wenn sie den Feuertod gestorben wäre, hätte sie endlich Ruhe vor dieser Ausgeburt der Hölle …

KAPITEL 24
    MÜDE UND TROTZDEM ERREGT und von dem Gedanken beherrscht, seine geliebte Helene zu befreien, ritt Hasso von Ruhfeld gegen Mittag auf den Schlosshof seiner Ahnen. Und war sie frei, dann wollte er sich rächen – blutige Rache würde er üben.
    Kaum hatte die kleine Schar in gestrecktem Galopp die Grenzen der Grafschaft überquert, waren ihr bereits Leute entgegengeeilt, um Hasso das Schreckliche mitzuteilen: Helene Hagenbusch sei gefoltert worden, um sie zum Geständnis zu bringen, eine Unholde zu sein.
    Sowie Adelheid das Pferdegetrappel im Schlosshof gehört hatte, war sie an ein offen stehendes Fenster getreten, um nachzusehen, wer die unverhofften Gäste seien.
    Als sie Hasso mit seinen Begleitern erkannte, rannte sie, so schnell ihre langen Röcke es erlaubten, aus dem Zimmer, die Flure entlang, die Treppen hinunter und durch die riesige Vorhalle hinaus und über die steinerne Außentreppe in den Schlosshof, wo die Herren inzwischen den herbeigeeilten Knechten ihre schweißnassen Pferde übergaben.
    Sie warf sich weinend in die Arme ihres Bruders. Er drückte seine Schwester ungestüm an sich und rief mit tränenerstickter Stimme aus: »Ich weiß, was meine liebste Leni erleiden musste.
    Aber ich schwöre, dass ich sie noch heute aus dem Kerker befreien werde.«
    »Sprich nicht weiter, Hasso«, entgegnete Adelheid leise. »Wir wissen nicht, ob alle Menschen im Schloss so denken wie wir. Ich bitte dich, komm zu mir, damit wir in Ruhe besprechen können, was zu tun ist.«
     
     
    Der Oberste Richter Bertold Munzinger hatte äußerst schlechte Laune. So etwas hatte er in seiner zwanzigjährigen Gerichtspraxis noch nicht erlebt.
    Dass hin und wieder ein Zeuge oder eine Zeugin einknickte, kam gelegentlich vor. Vor allem, wenn die Aussage unter der Folter zustande gekommen war, musste man damit rechnen, dass sie später wieder zurückgenommen wurde. Doch dieser reihenweise Einbruch der sogenannten Zeugen war ungeheuerlich.
    Angefangen hatte es mit dem Dorftrottel, dem Hannes Leiblein. Er war mit seiner Tante, der Pfarrersköchin des Reschenbacher Geistlichen, erschienen und hatte unter vielem Grimassenschneiden, Gekicher und Sabbern seine Anzeige gegen »die ehrenwerte Jungfer Helene Hagenbusch« zurückgezogen. Er sei sich jetzt sicher, dass sie nicht an seinem lahmen Arm die Schuld trüge.
    »Mein Gewissen lasst es jetzt nimmer zu, dass das Helen wegen mir für eine Hex gehalten wird«, stammelte er.
    Und dabei schaute der Idiot den Obersten Richter so treuherzig mit seinen stumpfsinnigen Augen an und grinste albern, während ihm der Speichel von den dicken Lippen tropfte, dass der Berthold Munzinger sich angeekelt von ihm abwandte, weil ihm vor dem unappetitlichen Neffen der Marthe Schnewlin graute.
    »Ihr seht ja selber, Euer Ehren, dass man nicht alles für bare
    Münze nehmen darf, was der Junge so daherredet, nicht wahr«, sagte die Pfarrhaushälterin scheinheilig.
    »Ach ja?«, entgegnete der Munzinger im höchsten Maße unwillig. »Vor zwei Wochen hat sich das aber ganz anders angehört, als Ihr das erste Mal mit Eurem Neffen bei mir erschienen seid. Da habe ich nur gehört, dass es eine Verleumdung sei, den Jungen einen Schwachkopf zu nennen und dass die Leute ihm Unrecht täten, wenn sie ihn für verblödet hielten. Er wisse genau, was er sage. Und jetzt ist ihm über Nacht das Gewissen in seinen dummen Kopf eingeschossen? Wollt Ihr mich foppen, Jungfer Schnewlin?«
    Die Tante – viele Leute behaupteten, sie sei seine leibliche Mutter – zog den Kopf zwischen die Schultern, starrte betreten zu Boden und verstummte eingeschüchtert.
    »Lasst es gut sein. Geht mit Eurem Neffen nach Hause, und verbietet ihm in Zukunft, gegen andere Leute Beschuldigungen vorzubringen. Ich hätte gute Lust, gegen Euch, Jungfer Schnewlin, Anklage wegen wissentlicher Irreführung des Gerichtes zu erheben. Ja, das werde ich mir gut überlegen.«
    Da begann das Weib zu betteln und zu winseln, bis nach einer Weile der Oberste Richter sich zu folgender Äußerung herabließ:

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