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Die Hexengraefin

Titel: Die Hexengraefin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karla Weigand
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Weiber macht, desto einfacher kann man auf sie verzichten.«
    Das hatten Hasso und Adelheid damals verstanden. Und die Erklärungen von Pater Ambrosius hatten ihnen noch mehr Erkenntnisse vermittelt.
    »Je mehr man das Geschlechtliche diabolisiert, desto höher sind die Schranken für die individuelle Triebhaftigkeit. Aber der tiefere Grund für die Annahme, Hexerei sei ein weibliches Verbrechen, liegt viel weiter zurück. In fast allen alten Kulturen war der Mythos der nachtfahrenden Weiber bekannt.
    In den Mythen der Griechen und Römer waren die Göttinnen Artemis und Diana, welche die nächtliche Jagd anführten, ebenfalls mit zerstörerischen Fähigkeiten ausgestattet.
    Und von Chaldäa, woher Abraham, einer der Stammväter der Israeliten, stammte, weiß man, dass die Menschen an zauberkundige Frauen glaubten, die auf einem Stück Holz ritten.
    Die Hexe, früher hagazussa – Zaunreiterin – genannt, passt zu dieser Tradition. Ihr Ritt auf dem Stecken – ein Phallussymbol – führt ins Verbotene, »jenseits des Zauns«, weit weg von Moral und guter Sitte, in den dunklen, geheimnisvollen Schoß der Mutter Erde. Diesem ist die Frau als Gebärende natürlich näher als der Mann. Also war die Hexe schon weiblich, ehe die Kirche sie verteufelt hat.«
    »Woher wisst Ihr das alles, Vater Ambrosius?«, wollte damals Hasso wissen. »Das, was Ihr uns sagt, klingt so ganz anders als die Predigten von Pfarrer Hasenauer. Er fordert nur alle guten Christen auf, jeden Verdächtigen anzuzeigen.«
    »Und er droht den Leuten mit schwerer Strafe, wenn sie das nicht tun. Damit hält er die Bauern zum Bespitzeln ihrer Nachbarn an«, hatte Adelheid naserümpfend hinzugefügt.
    »Ja, und er richtet damit allerhand Unheil an«, hatte der alte Graf gegrollt. »Es ist dem Frieden in einer Gemeinde nicht dienlich, wenn einer dem anderen hinterherschnüffelt und jeder Angst haben muss, sogar von seinem besten Freund verraten zu werden.«
    Graf Ferfried hatte sich seinerzeit vorgenommen, mit dem Dorfpfarrer ein ernstes Wort zu reden …
    Genützt hatte es nur insofern, als der Geistliche sich von der Kanzel aus nicht mehr zu Hassausbrüchen gegen angebliche Hexen hatte hinreißen lassen; aber was der Hasenauer seinen Schäflein im Beichtstuhl einbläute, wusste der Graf natürlich nicht.
    Viele denunzierte Frauen waren Wehmütter. Das war nicht verwunderlich, denn Der Hexenhammer postulierte: Niemand schadet dem katholischen Glauben mehr als die Hebammen.
    »Die Hebamme ist die Vertraute der Gebärenden, weiß Bescheid über Zeugung, Empfängnis und Schwangerschaft und letztlich auch über die Verhütung oder den Abbruch derselben. Und das ist die eigentliche Quelle allen Misstrauens der Kirche gegenüber den Wehmüttern«, erklärte wiederum der Benediktinermönch Ambrosius Feyerling aus dem oberbayerischen Ettal, dessen Äbte es bekanntermaßen strikt ablehnten, in ihrem Einflussbereich Hexenprozesse abhalten zu lassen.
    »Auch Müllerinnen, Bäckerinnen, Schneiderinnen und Schusterinnen, deren Ehemänner Rohmaterial verarbeiten – Korn, Mehl, Stoffe sowie Leder – werden unverhältnismäßig häufig der Hexerei bezichtigt, hat man mir berichtet«, sagte Graf Ferfried. »Das hängt mit der Tätigkeit ihrer Männer zusammen, die man oft des Betruges bezichtigt und daher hält man auch ihre Weiber für unehrenhaft und eher für Hexen, als andere Frauen.«
    »Genauso ist es mit Bierbrauerinnen, Weinhändlerinnen und Gastwirtinnen, Herr«, flocht Vater Ambrosius ein. »Sie alle genießen einen denkbar schlechten Ruf. Sind sie doch für die Räusche der Männer und deren Zudringlichkeiten verantwortlich, denen sie, wie man hört, nicht selten nachgeben. Gerade den Wirtinnen haftet der Vorwurf an, sie seien verderbte Weiber. Was liegt also näher, ihnen auch eine Buhlschaft mit dem Teufel vorzuwerfen?«

KAPITEL 29
    »NUN STEHST DU ALSO ERNEUT VOR UNS, und das Gericht hofft, dass du dieses Mal bei deinem Geständnis bleibst und nicht wieder das frevelhafte Spiel des Widerrufes mit uns treibst.«
    Der Oberste Richter, Bertold Munzinger, Inhaber des Gerichtsstabes, vom Straßburger Bischof persönlich in sein ehrenvolles Amt berufen, bemühte sich an diesem Morgen um einen fast leutseligen Umgangston mit der »Hexe« Helene Hagenbusch.
    »Falls du widerrufen solltest, wäre das Gericht gezwungen, dich einer weiteren Tortur zu unterwerfen, um dich zum Bekennen der Wahrheit zu bringen. Meister Scheible, unser wackerer Nachrichter hier, müsste

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