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Die Hexengraefin

Titel: Die Hexengraefin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karla Weigand
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»sich zu bedenken« – was immer das heißen mochte …
    Als er gegangen war, fluchte Hasso gotteslästerlich, aber seine Schwester rügte ihn dieses Mal nicht. Georg saß nur dumpf vor sich hinbrütend in einem Sessel und starrte mit leerem Blick auf die gegenüberliegende Wand. Dort hing in einem silbernen Rahmen das Stillleben eines niederländischen Meisters, welches auf einem Tisch einen aufgeschlagenen Folianten zeigte, dessen Seiten mit lateinischem Text bedeckt waren; daneben waren ein grinsender Totenschädel, eine große Zinnkanne mit einem zur Hälfte gefüllten Weinglas mit dickem grünen Fuß sowie eine Silberplatte mit einem halben Dutzend Austern zu sehen.
    Sowohl die Gelehrsamkeit, ausgedrückt in dem Buch, als auch der leibliche Genuss, dargestellt im Symbol der Weinkanne und den Meeresfrüchten, vermochten nichts auszurichten gegen den Tod, dessen knöcherne Fratze alle Menschen am Ende gleichermaßen einholte.
    Dieses Gemälde, ein Sinnbild der Vergänglichkeit und zugleich der Warnung vor geistiger Überheblichkeit und üppigem Prassertum, hatte Hasso seinerzeit von seinem Vater Ferfried anlässlich seiner »Schwertleite«, des Empfangs des Ritterschlages, erhalten.
    Der Bauernsohn Georg ahnte nur die Bedeutung des Bildes, das ihn zugleich faszinierte und ängstigte. Schließlich wandte er den Blick ab. Voller Hoffnung war er gekommen und musste nun erleben, dass auch Hasso und Adelheid ebenso ratlos wie er waren angesichts dieser Übermacht an Lüge, Verbohrtheit und exzessivem Frauenhass.

KAPITEL 28
    EINE DER URSACHEN für die ausufernden Hexenverfolgungen war ohne Zweifel die wissenschaftlich verbrämte Hexenlehre der Scholastik, einer zunächst an Dom- und Klosterschulen, dann an den Universitäten ausgebildete philosophisch-theologische Spekulation, die den Frauen, als dem »so gebrechlichen Geschlechte der Weiber« die Hexerei eher zutraute als den Männern.
    Der Hexenhammer verkündete zum Beispiel, dass die Frau »im Guten wie im Bösen kein Maß zu halten weiß«. Ja, seine
    Verfasser behaupteten sogar, dass Frauen dümmer, verschlagener, wollüstiger und bösartiger als Männer seien.
    »Die Weiber sind leichten Verstandes, fast wie Knaben«, stand da. Oder: »Ein schönes und zuchtloses Weib ist wie ein goldener Reif in der Nase der Sau; der Grund ist ein natürlicher: Weil es fleischlicher gesinnt ist als der Mann, wie aus den vielen fleischlichen Unflätereien ersichtlich ist.«
    Na, das passte doch bestens auf die schöne Tochter des Schultheißen Hagenbusch.
    Und noch eine Erklärung lieferte der Katechismus aller Hexenrichter: »Diese Mängel werden auch offenbart bei der Schaffung des ersten Weibes, indem es aus einer krummen Rippe geformt wurde, d. h. … gekrümmt und gleichsam dem Manne entgegengeneigt ist. Aus diesem Mangel geht auch hervor, dass das Weib immer falsch ist, da es nur ein unvollkommenes Tier ist.«
    Sogar die lateinische Bezeichnung »femina« für Frau musste für den Unsinn herhalten. »Fe« bedeutet »Glaube« und »minus« steht für »weniger«; ergo: Die Frau ist diejenige, die weniger Glauben hat.
    »Also schlecht ist das Weib von Natur, da es schneller am Glauben zweifelt, auch schneller den Glauben ableugnet, was die Grundlage für Hexerei ist.«
    Welches Ziel verfolgten diese Vertreter kirchlicher Gelehrsamkeit in ihrer maßlosen Borniertheit?
    Graf Ferfried von Ruhfeld, der als junger Mann vor seiner Heirat einige Jahre auf der Universität von Padua Theologie und Philosophie studiert hatte, da man ihn – als zweiten Sohn – ursprünglich für eine geistliche Laufbahn bestimmt hatte, hatte seinen Kindern eine einfache Antwort auf diese Frage gegeben, als sie ihn vor ein paar Jahren wegen der aufkommenden Hexenprozesse ganz verstört um Aufklärung gebeten hatten.
    »Diese meistens im Zölibat lebenden Kleriker werden von ihren eigenen geschlechtlichen Bedürfnissen ständig gequält. Frauen sind ihnen verboten, da der Umgang mit ihnen angeblich verderblich für ihr Seelenheil ist. Deshalb sind Frauen schlecht! Außerdem machen sie ständig die Erfahrung, dass bereits der Anblick eines Weibes sie zu sündigen Gedanken verleitet. Statt nun die Schuld bei sich selbst zu suchen, begannen die geistlichen Herren seit Langem das Objekt ihrer Begierden zu verteufeln.
    Das ist wie die Fabel vom Fuchs und den Trauben. Der Fuchs behauptet doch von den für ihn unerreichbaren Trauben, sie seien ihm viel zu sauer, nicht wahr? Also, je verächtlicher man die

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