Die Hexengraefin
verstehen, was dieser Satan an ihr fand: Sie war abstoßend hässlich und verletzt, sie war dreckig und voller Blut, und sie stank erbärmlich.
Und die Umgebung, in der diese allnächtlichen Überfälle stattfanden, war grauenvoll: kalt, feucht, voller Schimmel, Unrat und Ungeziefer.
War es die Demütigung, die man diesem kaum mehr als menschliches Wesen erkennbaren Bündel Lumpen antun konnte? Ergötzte man sich an ihrem schmerzvollen Stöhnen, an ihrem Wehgeschrei, das sie nicht immer unterdrücken konnte, wenn sie in sie hineinstießen, als wäre sie irgendein gefühlloses Stück Fleisch?
Warum tat man ihr das an? Sie wusste genau, dass es nicht der Teufel war, mit dem sie angeblich einen Pakt geschlossen haben sollte, der sie jede Nacht bis aufs Blut peinigte – von den Qualen ihrer jungfräulichen Seele gar nicht zu reden.
Oh, ja, sie hatte diesen Unmenschen, den der Wärter – oder seine Frau – zu ihr einlassen musste, sehr wohl erkannt. Aber sie konnte sich nicht wehren. Mehrmals hatte sie vergeblich versucht, vor Gericht darüber zu sprechen. Doch es hatte ihr nichts genützt...
Helene hatte es sich während der vergangenen drei Wochen zur Gewohnheit gemacht, in eine Art Starre zu verfallen. So weit möglich, schaltete sie alle Empfindungen aus. Willenlos, ja stumpfsinnig überließ sie sich den Untieren, die den Spaß mit ihr zu genießen schienen, ohne sich um ihr Opfer zu scheren.
So geschah es auch dieses Mal. Sie summte, während der Maskierte brutal in sie eingedrungen war, scheinbar wie selbstvergessen vor sich hin.
»Hört Euch das an!«, rief der verblüffte Vergewaltiger seinem Kameraden zu, der bereits gierig darauf wartete, der Nächste zu sein. »Sie singt. Ist das zu fassen? Das Hexenmensch singt, als ob gar nichts wäre.«
Abrupt zog der Kerl mit der Ledermaske sein Glied zurück, ohne sein Ziel erreicht zu haben. Die Sache hatte begonnen, ihm unheimlich zu werden.
»Macht Ihr weiter, wenn Euch danach ist«, sagte er schwer schnaufend zu dem anderen. »Mir reicht es. Irgendetwas stimmt mit dieser Hexe nicht. Womöglich verwünscht sie noch unsere Schwänze, und auf einmal haben wir gar keine mehr.«
»Aber, das ist doch lächerlich!«, sagte der zweite nächtliche Besucher. »Was ist das für ein Unsinn? Davon habe ich noch nie gehört.«
»So? Habt Ihr nicht? Ich aber schon. Es hat Fälle gegeben, wo die Hexe den Männern aus Bosheit das Glied weggezaubert hat.«
Der Maskierte hatte inzwischen seine Hosen hochgezogen und wandte sich zur Kerkertür. »Ihr könnt ja noch bleiben und es Euch wohl sein lassen.«
»He, he, so wartet auf mich«, maulte der Zweite. Auch ihm war offensichtlich die Lust vergangen. Ärgerlich folgte er dem Maskierten nach draußen.
Helene, die auf ihrer feuchten Strohschütte mit entblößtem Unterkörper und obszön gespreizten Schenkeln dalag wie eine weggeworfene Flickenpuppe, hörte wie durch einen Nebelschleier, wie der Schlüssel zu ihrer Gefängnistüre sich im Schloss drehte.
Dann war es totenstill, bis eine hungrige Ratte auf Nahrungssuche im Stroh raschelte. Aber da war sie vor Schwäche bereits in eine tiefe Ohnmacht gesunken.
KAPITEL 34
DIE BEFREIUNG HELENES sollte sich geradezu als ein Kinderspiel erweisen. Da es sich die Braut und zukünftige Herrin auf Schloss Ortenberg ausbedungen hatte, dass an ihrem Hochzeitstag keine Eingekerkerten und schon gar keine Hexen sich in ihrer Nähe aufhalten durften, hatte man beschlossen, die zwar verurteilten, aber immer noch auf ihre Hinrichtung wartenden Hexen, Sofie Bleile und Agnes Mürfelder, sowie die noch ihres Schuldspruches harrende Helene Hagenbusch in einem anderen Gefängnis unterzubringen.
Man verfiel auf den Ort Kappelrodeck, wo in der Regel die Exekutionen stattfanden. Da wären die drei gleich an der richtigen Stelle. Ganz im Geheimen sollte die Überführung der drei Weibsbilder stattfinden, damit ja niemand auf dumme Gedanken käme …
Aber Hasso von Ruhfeld hatte inzwischen überall seine Zuträger, so blieb es nicht aus, dass einer der Gefängniswärter dem jungen Grafen Bescheid geben ließ, wann und wohin die Verlegung Helenes vonstatten gehen sollte.
So geschah es, dass im Morgengrauen dieses Sommertages ein kleiner Trupp von kaiserlichen Wachsoldaten einen zugedeckten Karren mit den drei Frauen aus dem Hänsele-Turm geschafft und durch ein dichtes Waldstück geleitet hatte – wobei die Männer einen besonders »sicheren« Umweg gewählt hatten -, dieser urplötzlich in
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