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Die Hexengraefin

Titel: Die Hexengraefin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karla Weigand
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geflüstert. »Ich meine, sie so weit am Leben zu erhalten, dass es möglich ist, mit ihr die Flucht über den Rhein zu wagen?«
    Adelheid hatte bloß mit den Schultern gezuckt und war stumm geblieben, worauf Helenes Bruder Georg das Gemach verlassen hatte. Der gewiss nicht zimperliche Sohn des Jakob Hagenbusch konnte seine mörderische Wut nicht mehr beherrschen.
    »Was haben diese dreimal verfluchten Schweine bloß mit dir angestellt, Leni?«, rief er draußen und hieb mit den Fäusten in ohnmächtigem Zorn gegen die Wand, während ihm Tränen der Hilflosigkeit aus den Augen schossen.
    Die Bediensteten des Grafen zogen die Köpfe ein, schauten betreten zu Boden und machten, dass sie in einem anderen Zimmer verschwanden.
    Der junge Bursche hatte ja recht. Unglaublich, was der nur gut drei Wochen dauernde Aufenthalt im Kerker aus dem einst so hübschen, lebensfrohen Geschöpf gemacht hatte.
    »Das Schlimmste ist, Hasso, dass Helene jetzt zwar bei Bewusstsein ist, aber auf gar nichts reagiert. Sie schaut durch mich hindurch, als würde sie mich nicht mehr kennen, und sie spricht kein Wort. Wenn du sie fragst, ob sie Schmerzen hat – und die hat sie mit Sicherheit -, gibt sie keine Antwort. Sie liegt nur bewegungslos da und starrt zur Decke. Hin und wieder summt sie vor sich hin, aber das Lied kenne ich nicht. Es ist zum Gotterbarmen«, sagte Adelheid und warf sich ihrem Bruder schluchzend in die Arme. Der aber konnte sie nicht trösten: Er hätte selbst Trost gebraucht …
    Man hatte Helene vorsichtig gewaschen und ihre vielen Wunden gereinigt, sowie ihren gebrochenen Arm fachgerecht geschient und verbunden.
    Während all dieser Handlungen hatte das abgemagerte Menschenkind keinen Ton von sich gegeben und auf kein Wort reagiert. Als sie so versorgt war von Adelheid und ihrer Lieblingszofe Ursula, welche andauernd gegen eine Tränenflut ankämpfen musste, lag sie stumm und starr zur Zimmerdecke blickend, mit einem Kopftuch versehen, welches ihre in Stoppeln nachwachsenden Haare und die Beulen und Abschürfungen am Schädel verdeckte, auf einem Bett in einem kleinen Raum, welcher neben dem Gemach der Gräfin lag und durch eine Tür mit diesem verbunden war.
    Adelheid hatte wohlriechende Kräuter im Kamin verbrennen lassen, um den Blut- und Eitergestank zu vertreiben, der dem Körper der Gepeinigten trotz der Waschungen mit Kamillenabsud und Lavendelwasser immer noch anhaftete.
    Vater Ambrosius saß an ihrem Lager, tief im Gebet versunken. Auch er litt, wenn er das arme Kind so liegen sah, welches man gefoltert hatte, um aus ihm »Geständnisse« herauszupressen, die gar nicht möglich waren. Wenn er sich die Martern vorstellte, welche man dem Mädchen angetan hatte und dazu die heimlichen Qualen, auf die sich besonders der grausame Scheible verstand, dann war ihm nachgerade zum Speien.
    Der Nachrichter und seine Schergen waren berüchtigt dafür, dass sie sich an ihren hilflosen Opfern in schlimmster Weise vergingen, und der Benediktinermönch fragte sich nicht zum ersten Mal, ob dieser Henker wirklich noch als »Mensch« zu bezeichnen war.
    ›HERR, verzeih mir die Sünde, dass ich so über einen meiner Mitbrüder denke, aber ich verabscheue dieses Vieh zutiefst. GOTT, vergib mir‹, dachte Ambrosius und ließ den Rosenkranz weiter rastlos durch seine Finger laufen. Er machte sich Sorgen, ob das Helen den Transport nach Straßburg überleben würde.
    »Lieber Herrgott, lass das unschuldige, junge Weib nicht sterben«, betete er, »es kann doch nichts dafür, dass es so viele Verblendete, Bösartige und Narren auf der Welt gibt.«
    Die alte Agnes, Witwe des Gastwirts Kaspar Mürfelder, der es erstaunlich gut ging, trotz des Martyriums, welches auch sie hinter sich gebracht hatte, würde man in Kürze auf einen der Bauernhöfe des Grafen verbringen, wo sie als Küchenmagd ihre letzten Tage unerkannt verbringen konnte.

KAPITEL 35
    ALS HELENE IN EINEN UNRUHIGEN SCHLUMMER gesunken war, erschien Graf Ferfried im Zimmer der jungen Frau. Mit vor Verzweiflung verdüsterter Miene trat er ans Bett und betrachtete die Schlafende.
    »Offenbar träumt sie vom Kerker und den Torturen im Folterkeller.«
    Der Pater flüsterte nur, und dem Grafen wurde beinahe übel. Sein schlechtes Gewissen bedrückte ihn schwer.
    Wenn Sohn und Tochter erführen, welche Rolle er bei dieser unseligen Geschichte gespielt hatte, würden sie ihn verachten oder gar hassen.
    »Lasst sie schlafen«, murmelte er beschwörend, als er Ursula mit einem

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