Die Hexengraefin
einem Hohlweg auf der Strecke zwischen Ortenberg und einem kleinen Weiler von einem knappen Dutzend berittener, vermummter und maskierter Gestalten überfallen und im Nu mit großer Brutalität niedergehauen wurde.
»Beeilung, schnappt euch die Frauen!«, rief der Anführer der Maskierten und griff als Erster nach der Plane, unter der man die Ärmsten versteckt hatte.
»Teufel noch mal!«, fluchte der junge Graf – denn kein anderer als Hasso von Ruhfeld verbarg sich unter der braunen Ledermaske. Er hatte nämlich gerade entdeckt, dass die schon betagte Sofie Bleile offenbar ihren Geist aufgegeben hatte.
Voller Angst riss er den Tuchfetzen vollends zur Seite, und was er sah, ließ ihn wiederum das Schlimmste befürchten.
Das sollte ein achtzehn Jahre altes Mädchen sein? Gott im Himmel, da lagen Frischere im Sarg! Die da sah aus, als wäre sie bereits siebzig und kurz vor dem Verscheiden. Als er das erbarmungswürdig zugerichtete Geschöpf vorsichtig vom Wagen hob, schossen ihm Tränen in die Augen, sodass er kaum etwas erkennen konnte.
»Georg, kümmere du dich um die andere!«, befahl Hasso und überließ es Helenes Bruder, Agnes Mürfelder, die auch mehr tot als lebendig schien, vom Karren zu schaffen.
Der junge Mann legte die Alte quer über sein Pferd, nachdem er sie zuvor in eine Decke eingewickelt hatte.
Aber Hasso hielt seine Liebste noch eine Weile in den Armen und blickte entsetzt in ihr totenbleiches, einst so hübsches Gesicht. Die Tränen liefen ihm jetzt in Strömen über die Wangen. Doch er schämte sich nicht. Keiner der anderen Männer machte eine Bemerkung dazu – jeder schien zu verstehen, was in dem jungen Edelmann vorging.
»Herr«, mahnte schließlich einer, und Hasso riss sich sofort zusammen.
Natürlich. Sie hatten noch einiges zu erledigen: Der Karren und die erschlagenen Wächter mussten beseitigt werden.
Ein kurzes Stück weiter, am Ende des schmalen Hohlweges, gab es eine tiefe, mit Büschen und Bäumen bewachsene Schlucht. Dahin schleiften sie die Leichen der kaiserlichen Wachsoldaten und die Sofies und ließen sie mitsamt dem Karren in die dunkle Tiefe fallen.
Dann vergewisserte sich Hasso, dass von oben nichts zu sehen war von der grausigen Last, derer man sich hier entledigt hatte. Dichtes Brombeergestrüpp und Zweige von Nadelgehölzen verbargen den Wagen und die Toten gleichermaßen; außerdem war die Schlucht sehr tief und wer von oben hinunterschaute, blickte nur in ein finsteres Loch.
Das Zugpferd band einer der noch immer vermummten Helfer an sein eigenes. Als der Graf, der die bewusstlose Helene in seine Armbeuge gebettet und mit seinem Reitermantel umhüllt hatte, das Zeichen gab, setzte sich der Trupp wieder in Bewegung und schlug die Richtung nach Schloss Ruhfeld ein.
Kaum im Hof angelangt, sprang Hasso aus dem Sattel, übergab die federleichte Last dem bereits wartenden Pater Ambrosius, erteilte Befehle bezüglich der Agnes Mürfelder und zahlte anschließend die Männer aus.
Er reichte jedem Söldner die Hand und verbeugte sich, denn jeder hatte ein nicht geringes Risiko auf sich genommen. Auf die Befreiung einer Hexe stand immerhin die Todesstrafe...
Nach wenigen Minuten war der Schlosshof wie leer gefegt von den fremden, bewaffneten Kerlen, die der junge Edelmann extra für diesen blutigen Zweck angeheuert hatte. Über die Berge des Schwarzwaldes hinweg würden sie ihren Weg ins Schwäbische nehmen und von da aus, wohin Lust und Laune – und nicht zuletzt der Herr, der am besten für ihre Dienste zahlte – sie führen mochten.
Die eigenen Gefolgsleute hatten die Ruhfelder für diese extrem heikle Aufgabe nicht nehmen wollen. Was wäre gewesen, falls sie erkannt worden wären oder einer von ihnen in Gefangenschaft geraten wäre?
Während sich eine ältere Magd um Agnes kümmerte, hatte es sich Adelheid nicht nehmen lassen, sich eigenhändig um Helene zu kümmern.
Als sie des Helen ansichtig geworden war, konnte das im Allgemeinen recht couragierte Edelfräulein sein Entsetzen kaum verbergen: »HERR im Himmel, wie hat man das arme, unschuldige Wesen bloß zugerichtet?«, sagte sie entsetzt, als sie ihre Freundin zum ersten Mal sah. »Man erkennt sie gar nicht wieder. Und ihre Verletzungen sind so abscheulich! Es ist ein Wunder, dass sie überhaupt noch lebt!«
Hasso und Georg hatten danebengestanden und vor ohnmächtiger Wut kaum ein Wort herausgebracht.
»Glaubst du, du schaffst es, Schwester?«, hatte der junge Graf schließlich
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