Die Hexengraefin
Dienstmädchens.
»Ich heiße Céline, Madame«, antwortete sie und knickste.
Adelheid war angenehm überrascht. Anscheinend war der Erzherzog Leopold von Habsburg doch feinfühliger, als sie zu hoffen gewagt hatte. Womöglich würde sich noch alles zum Guten wenden.
›Ob er mir Glauben geschenkt hat?‹, fragte sie sich, als sie sich auf einen Stuhl am Fenster gesetzt hatte. Sie ließ den Blick über die grünen Weinberge schweifen, die so sehr dem Landschaftsbild glichen, das sie von Kindheit an gewohnt war.
Es stimmt, was mir die Lehrer damals gesagt haben, dass der Wasgenwald – ein alter Name für Vogesen – und der Schwarzwald Geschwister sind, die nur der Rhein trennt, dachte sie und war sicher, nicht zu sehr unter Heimweh leiden zu müssen.
Bald darauf aß sie mit ihrer Begleitung in ihrem Gemach zu Mittag und war von den schmackhaften Speisen sehr angetan.
Daheim wurden unter der Woche solche Leckerbissen nicht aufgetischt.
Auch Ursula war das aufgefallen: »Gnädiges Fräulein, das Essen ist wunderbar«, seufzte sie voll Wonne und sah interessiert zu, wie ihre Herrin das Helen fütterte. Teilnahmslos ließ diese es geschehen, dass Adelheid ihr mit einer Gabel – ein Instrument, welches man von Frankreich seit der Zeit König Heinrichs IV., des Vaters des jetzigen französischen Königs, übernommen hatte – Fleischstückchen und Gemüse in den Mund schob. Gehorsam kaute und schluckte sie die Mahlzeit, ließ aber nicht erkennen, ob ihr das Gegessene überhaupt zusagte.
»Lasst mich das machen, Fräulein«, bot Ursula an, »Euer Essen wird sonst völlig kalt.«
Aber die Gräfin schüttelte den Kopf. Diese Aufgabe ließ sie sich nicht nehmen – genauso wenig wie die Körperpflege ihrer Freundin, die diese jeden Morgen teilnahmslos über sich ergehen ließ. Damit verbunden waren Einreibungen und Umschläge mit Kräutersalben, die Adelheid zum großen Teil selbst hergestellt hatte.
Nun kamen der jungen Edelfrau ihre Kenntnisse in Botanik und Heilkräuterkunde zugute. Wenn sie etwas bedauerte, dann waren es ihre Wissenslücken in der Frauenheilkunde – aber für ein junges Mädchen wäre es mit großen Schwierigkeiten verbunden gewesen, sich darüber zu informieren. Denn das Interesse daran galt als verdächtig und höchst anrüchig …
»Ich werde mich hier als Erstes nach einer weisen Frau umsehen«, sagte Adelheid leise zu ihrer Zofe, damit Wilhelm sie nicht hörte. »Ihre monatliche Blutung ist bisher noch nicht wiedergekommen.«
»Oh je, gnädiges Fräulein – hoffentlich ist das Helen nicht schwanger«, befürchtete die Zofe.
Adelheid wurde blass. Dieser nahe liegende Gedanke war ihr noch gar nicht gekommen. Oh, du lieber Heiland: Wenn sich das Entsetzliche bewahrheiten sollte, dass eine dieser Bestien im Kerker Helene geschwängert hatte, wäre das eine Katastrophe. Daheim auf Ruhfeld könnte sie die Hebamme Elsbeth kommen lassen und die würde Rat wissen. Aber hier?
»Ein absichtlich herbeigeführter Abgang der Leibesfrucht in einem Bischofspalast, Ursula? Das wäre einfach undenkbar.«
»Um Gottes willen. Aber wir könnten das kranke Kind doch nicht Mutter werden lassen. Und dazu käme noch, dass das Balg von einem dieser Schweine im Hänsele-Turm stammt. Ein furchtbarer Gedanke, Fräulein Adelheid.«
Das war er in der Tat, und beide Frauen hofften inständig, dass das Ausbleiben von Helenes Monatsreinigung eine andere Ursache hatte …
KAPITEL 43
VOR GUT ZWEI JAHREN hatte Kaiser Ferdinand das sogenannte »Restitutionsedikt« erlassen, angeblich auf Drängen seines Beichtvaters, des Jesuitenpaters Lamormain, das eine rücksichtslose Rekatholisierung des Reichs zum Ziel hatte.
Es bedeutete schlicht, dass katholisches Kirchengut, welches nach dem Stichjahr 1552 säkularisiert worden war, seinen angeblich rechtmäßigen Besitzern zurückerstattet werden sollte.
Vernünftige Männer hatten den Kaiser in Wien seinerzeit vor den Folgen gewarnt, nämlich der Umkehrung jahrzehntealter Besitzverhältnisse. Außerdem war in diesem Edikt den geistlichen Kurfürsten das Recht zugesprochen worden, die Konfession ihrer Untertanen zu bestimmen.
Auch Albrecht von Wallenstein hatte sich vehement dagegen ausgesprochen, der seither in dem Jesuiten seinen ärgsten Feind hatte. Nach der Meinung des Herzogs von Friedland konnte daraus nur ein neuer Krieg erwachsen.
Zwar war er Katholik, aber in erster Linie Pragmatiker, der vor allem eines wollte: endlich Frieden im Deutschen Reich.
Und jetzt
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