Die Hexengraefin
Frau Gräfin gleich richtig kennenlernen. Oh nein, aufs Maul war die Gemahlin seines Sohnes nicht gefallen.
Vorbei war’s mit kätzchenhafter Anschmiegsamkeit, bräutlicher Scheu und vor allem devoter Unterwürfigkeit dem angetrunkenen Grafen gegenüber. Dem Bräutigamvater klingelten recht ordentlich die Ohren, als sie resolut loslegte und ihm erstens die zu viel geleerten Schoppen Wein gnadenlos vorhielt – sie hatte genau mitgezählt – und zweitens die versammelte Obrigkeit einschließlich ihres Ehemannes des liederlichen Dilettantismus bezichtigte.
»Es ist nicht zu fassen«, keifte sie – und wurde dabei nicht gerade schöner – »dass in der Ortenau die Hexenweiber grad umherrennen dürfen, wie sie wollen, und keiner so gescheit ist und sie wieder einfängt. In anderen Gegenden von Deutschland verbrennt man sie, aber bei Euch lässt man sie einfach verschwinden. Bei Gott, ein schöner Zustand.«
Wie begossene Pudel saßen die edlen Herren an der üppig gedeckten Tafel; der Schwiegervater war jetzt lieber still, und der Ehemann lächelte schüchtern, während die Honoratioren, die Geistlichen eingeschlossen, die schamrot angelaufenen Köpfe senkten und auch nichts zu sagen wussten.
»Heiland«, flüsterte Ferfried seinem Sohn Hasso zu, »da hat der junge Ortenberger sich aber eine ganz Herbe ins Nest geholt. An der wird er noch seine Freude haben.«
Grinsend wandte er sich zur anderen Seite, wo der Benediktiner Ambrosius saß und sich den ausgezeichneten Wein munden ließ.
»Versteht Ihr jetzt, Pater, warum ich lieber Witiber bleibe, als wieder zu heiraten?«
Und ganz leise hatte er hinzugefügt: »Da lob ich mir doch die Salome: Die geht anschließend wieder. Prosit, Pater.«
Spät in der Nacht waren die Ruhfelder, die Herrschaft und das Gesinde, heimgekommen. Denen, die sie zu Hause gelassen hatten, um das Schloss zu bewachen, hatten die Dienstboten von den übrig gebliebenen Leckerbissen ordentliche Portionen mitgebracht.
Graf Ferfried war in Spendierlaune und hatte noch ein Fässchen Roten gestiftet, und das Schmausen und Feiern hatte erneut auf Schloss Ruhfeld begonnen. Ferfried war noch nicht müde gewesen und hatte sich – was selten genug vorkam – mitten unter seine Bediensteten gesetzt.
Ja, er war bester Laune. Deutete doch nichts darauf hin, dass ein Mitglied seiner Familie verdächtigt wurde, etwas mit der ominösen Gefangenenbefreiung zu tun zu haben.
KAPITEL 41
IMMO VON WERHAHN HATTE DIE GÄSTE mittlerweile in ein prunkvolles Besucherzimmer geführt, wo er sie höflich bat, sich niederzulassen und auf das unmittelbar bevorstehende Erscheinen des Bischofs zu warten. Einen wie aus dem Nichts aufgetauchten, livrierten Diener wies der Kaplan an, den drei Damen und dem Herrn Erfrischungen zu reichen.
Ehe er sich mit Anstand für kurze Zeit verabschiedete, drückte er noch im Namen seines Herrn Bedauern darüber aus, dass offenbar mit dem Willkommen etwas schiefgelaufen sei. »Ein unverzeihliches Versehen, Madame.«
Adelheid glaubte, sich verhört zu haben. »Der Mensch glaubt wohl, ich leide an Gedächtnisschwund«, empörte sie sich gegenüber Ursula.
Und Wilhelm von Kirchhofen, der wiederum behutsam seine Last auf ein Sofa gebettet hatte, sagte: »Er tat grade so, als hätte vorher nicht die geringste Auseinandersetzung stattgefunden, gnädiges Fräulein.«
»Vielleicht gehört das zu irgendwelchen Sitten, von denen wir keine Ahnung haben«, sagte Ursula lakonisch.
Nur Helene sagte kein Wort. Sie ließ nicht erkennen, ob sie auch nur das Geringste von diesem missglückten Empfang mitbekommen hatte. Der Blick ihrer trüben Augen blieb starr auf die Tapete geheftet.
Als der Diener vor ihr stehen blieb und sie fragte, ob er der Demoiselle ebenfalls Limonade einschenken dürfe oder vielleicht lieber ein Glas Wein, reagierte sie überhaupt nicht.
»Lasse Er nur, die Demoiselle ist krank, sie kann Ihn nicht verstehen«, erklärte Adelheid von Ruhfeld, und der Mann verbeugte sich stumm und ging.
»Jetzt fehlt nur noch der Bischof«, sagte Ursula nach einer Weile. Kaum hatte sie ausgesprochen, wurde die Tür durch eben diesen Diener aufgerissen und, durchdrungen von seiner Wichtigkeit, verkündete er laut: »Seine erzherzogliche Gnaden und bischöfliche Eminenz, Monseigneur Leopold!«
Die Gäste – mit Ausnahme von Helene – erhoben sich und fielen dann auf die Knie. Wie üblich, küssten sie den Bischofsring, den ihnen der Kirchenfürst gnädig vors Gesicht
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